Nach liechtensteinischer Auffassung behan- delt Deutschland liechtensteinisches Vermögen auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowa- kei als deutsches Auslandsvermögen, das zur Begleichung deutscher Reparationsschulden he- rangezogen werden kann. Hintergrund des Falls waren die Entscheidungen deutscher Gerichte, insbesondere der Entscheid des deutschen Ver- fassungsgerichts vom Januar 1998, welche die geforderte Rückgabe eines Gemäldes des nie- derländischen Malers Pieter van Laer aus dem in Folge der Benes-Dekrete 1945 in der Tsche- choslowakei entschädigungslos enteigneten Be- sitz des damaligen Fürsten von Liechtenstein ablehnten; dies mit der Begründung, dass der sogenannte Überleitungsvertrag von 1954 einen Klagestopp in dieser Frage vorsehe, der immer noch gelte.59 In Bezug auf die Zuständigkeit des Gerichts und die Zulässigkeit der Klage brachte Deutsch- land sechs Einwendungen (Preliminary Objec- tions) vor: 1. Es bestehe kein Streit zwischen Liechtenstein und Deutschland («no dispute»); 2. Die Gerichtsbarkeit des IGH sei aus zeitlichen Gründen nicht gegeben («ratione temporis»); 3. Es bestehe in der Sache nur ein inländischer (deutscher) und kein internationaler (IGH-) Gerichtsstand; 4. Die Rechtsmittel in der Tschechoslowakei bzw. den Nachfolgestaaten seien nicht ausge- schöpft worden («local remedies»); 5. Es seien dritte Staaten, d.h. Tschechoslowa- kei bzw. ihre Nachfolgestaaten, betroffen («third party rule»); 6. Die Ansprüche Liechtensteins seien nicht bzw. zu wenig substantiiert («lack of substan- tiation»)
Liechtenstein hat diese Einwendungen zurück- gewiesen (Observations). Vom 14. bis 18. Juni 2004 fand die mündliche Verhandlung des Fal- les in Den Haag statt. Dabei spielten die Argu- mente «ratione temporis» und «third party rule» eine wichtige Rolle. Der IGH hat in seinem Urteil vom 10. Febru- ar 2005 festgestellt, dass ein Streit zwischen Liechtenstein und Deutschland besteht. Damit hat das Gericht den ersten Einwand (prelimina- ry objection) Deutschlands betreffend die Zuläs- sigkeit der Klage zurückgewiesen. Dem zweiten Einwand - «ratione temporis» - hat der Gerichts- hof stattgegeben und sich somit für nicht zu- ständig erklärt, die liechtensteinische Klage ge- gen Deutschland in der Sache («on the merits») zu beurteilen. Die übrigen vier Einwände Deutsch- lands betreffend die Zulässigkeit der Klage («third party rule», «domestic Jurisdiction», «lack of substantiation», «local remedies») hat der Gerichtshof in der Folge nicht beurteilt. Der IGH hat damit keine meritorische Entscheidung über den Streitfall getroffen, ausser darüber, dass er besteht. Der Gerichtshof hat nicht ein- stimmig entschieden, einige Richter haben sich der Mehrheitsmeinung nicht angeschlossen und teilweise interessante so genannte «Dissenting Opinions» abgegeben. Damit ist das Verfahren vor dem IGH abgeschlossen. 59) Die Klage war vom liechtensteinischen Staatsoberhaupt. S.D. Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, als Pri- vatperson geführt worden. Eine Klage des Fürsten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg wurde im Juni 2001 abgewiesen. 148