EIN «ANNEX ÖSTERREICHS» ODER EIN SOUVERÄNER STAAT? / RUPERT QUADERER diplomatique nach Paris und Bern. Trotz Unterre- dungen mit mehreren hochrangigen Politikern er- hielt er jedoch lediglich allgemein gehaltene, höf- lich diplomatische Antworten. Ein im Dezember 1921 erstelltes liechtensteini- sches Memorandum sah vor, Emil Beck, den liech- tensteinischen Gesandten in Bern, als diplomati- schen Vertreter Liechtensteins in Prag zu akkredi- tieren. Prag reagierte jedoch auf diesen Vorstoss ablehnend. Auch eine von Prag geforderte und von der liechtensteinischen Regierung gegebene Er- klärung, dass Liechtenstein auf jegliche «Sonderbe- günstigung in Bezug auf die Bodenreform» verzich- te, führte nicht zum erstrebten Ziel.13 Nach weiteren, oft verzögerten und unterbro- chenen Vorstössen gab die Prager Regierung im November 1925 dem Eidgenössischen Politischen Departement gegenüber zu verstehen, dass sie es vorziehe «aus prinzipiellen Gründen jede Interven- tion eines befreundeten Landes in Verhandlungen, die eine rein interne Frage betreffen, wie die Agrarreform, zu vermeiden».14 Aufgrund dieser
Haltung der Tschechoslowakei kam das Eidgenös- sische Politische Departement zum Schluss, dass «weitere Schritte ... deshalb wohl nicht in Betracht kommen» würden.15 Die Frage der Übernahme der Interessenvertre- tung Liechtensteins in Prag durch die Schweiz trat damit für ungefähr ein Jahrzehnt in den Hinter- grund. Im April 1938 richtete die Liechtensteini- sche Gesandtschaft Bern aufs Neue eine Anfrage an das Eidgenössische Politische Departement, ob die Schweiz bereit wäre, die liechtensteinischen Inter- essen in der Tschechoslowakei zu vertreten.16 Am 13) LLA Gesandtschaftsakten Bern, Schachtel 2 (Interessenvertre- tung Prag), präs. 12. Februar 1923; Entwurf «An das Ministerium des Aeussern der Cechoslowakischen Republik». 14) BA Bern, 2001 (E)/l969/262, 59, 4. November 1925; tschecho- slowakische Gesandtschaft in Bern an Eidgenössisches Politisches Departement. 15) BA Bern, 2001(E)/1969/262, 59, 13. November 1925; Bundesrat Motta an Fürst Johann IL 16) BA Bern, 2001(E)/1969/262, 59, 5. April 1938. Dieser wertvollen Dienste, die Huer Liebden damit Mir und Meinem FUrstenturae geleistet haben und für die Ich Meinen wirmsten Lank ausspreche, möchte Ich auch fUrderhin nicht entraten und um diese fernere Tätigkeit mit den Bestim- mungen der neuen Verfassung in vollen Einklang zu bringen, be- traue Ich Üuer Liebden auf Grund des Artikels dreizehn der 7er- fassungsurkunde vom fünften Oktober eintausendneunhunderteinund- zwanzir; mit
der Ausübung Mir auf dem Gebiete der Vertretung Mei- nes Furstentumes nach Aussen zustehender Hoheitsrechte. Gegeben zu Feldsberg, tun 24.Dezember 1921.
Mit diesem Schreiben vom 24. Dezember 1921 dankt Fürst Johann II. seinem Bruder, Prinz Franz, für dessen bisher geleisteten Dienste und überträgt ihm die Vertretung des Fürs- tentums Liechtenstein in allen politischen Belangen 113