Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

DIE ERSTEN BEKANNTEN HEXEN MANFRED TSCHAIKNER hätte zufügen sollen. Bei ihren Dienstgebern han- delte es sich um Graf Karl Ludwig von Sulz (1560- 1616) und seine erste Ehefrau Dorothea Katharina von Sayn (1562-1609), die 1588 geheiratet hatten.12 Da im Geständnis der Tannerin von deren Kindern in der Mehrzahl die Rede ist, konnte ihr Prozess erst in den neunziger Jahren stattgefunden haben. Eine genauere Datierung ist vorerst nicht möglich. Die Urgicht, die bereits in meiner Untersuchung zu den liechtensteinischen Hexenverfolgungen aus dem Jahr 1998 ediert wurde,13 enthält folgende An- gaben zum Schicksal der Tannerin: In den ersten bei- den Abschnitten des Geständnisses erklärte die Ge- fangene, ihren schwerkranken Ehemann auf dessen eigenen Wunsch hin getötet zu haben. Die nächsten fünf Punkte handeln von der Beziehung der Tannerin zum Teufel. Zunächst wurde dabei festgehalten, dass sie auf dessen Betreiben zweien ihrer Kinder Gift in einem Mus zu essen gegeben habe. Mit dem Teufel wollte sie schon zu Lebzeiten ihres Ehemannes, und zwar seit zehn Jahren, zu tun gehabt haben. Der böse Geist sei auch zu ihr ins Gefängnis gekommen. Dabei habe er sie darin bestärkt, standhaft zu bleiben und nichts zu gestehen. Ausserdem habe er ihr zwei Hä- felein gebracht, mit denen sie Schaden anrichten soll- te. Sie aber habe sich geweigert, dieser Aufforderung nachzukommen. Stattdessen habe sie die Gefässe weggeworfen. Wie erwähnt gestand sie des Weiteren, dass sie der böse Geist verleiten wollte, der gräflichen Familie zu schaden. Sie habe dies jedoch nicht zu Wege gebracht. Der neunte Punkt des Geständnisses enthält die Angabe, dass die Tannerin dem Jägerjungen nachts, als er schlief, «einen Griff gegeben» habe, so dass ihm der Schenkel «bös» geworden sei. Als Nächstes erklärte die Frau noch, dass sie sich immer, nach- dem sie das heilige Altarsakrament empfangen hat- te, erbrechen musste, so dass sie den Leib Christi nicht aufzunehmen vermochte. Im achten und im neunzehnten Punkt äusserte sich die Angeklagte zur Mitwisserschaft ihres Le- bensgefährten Bastian. Von der Tötung ihres Ehe- mannes habe dieser gewusst, denn es sei ja eine «gemain sag» gewesen. Ihre zahlreichen Diebstähle seien ihm jedoch nicht bekannt gewesen. 
Diese werden in den Punkten elf bis achtzehn des Geständnisses einzeln angeführt. Beim Diebsgut handelte es sich um Glieder einer Goldkette, Silber- löffel, Goldringe, silberne Tischbecher mit dem gräf- lichen Wappen, Tischtücher und Ähnliches, aber auch um Mehl und Brot aus dem gräflichen Haus- halt sowie um Korn und Schmalz. Als Hehler wer- den ein nicht namentlich genannter Goldschmied zu Feldkirch, die Ehefrau eines Mathias Düftli - ver- mutlich aus Balzers14 - sowie vor allem Jakob Plenki und seine Gemahlin angeführt. Ein aus Schaan stammender Jakob Plenki ist in den Jahren 1562, 1573, 1574, 1579 und 1585 als Vaduzer Landam- mann bezeugt.Gleichzeitig ist ein Mann dieses Na- mens als einer der reichsten Bürger von Balzers im «Legerbuch» (Steuerbuch) von 1584 verzeichnet.16 Der von der Tannerin denunzierte Mann dürfte in grosse Schwierigkeiten geraten sein, denn er soll ei- nen Silberbecher mit dem gräflichen Wappen ge- kauft haben, obwohl ihn die Frau auch noch darauf aufmerksam gemacht haben wollte, dass dieser ge- stohlen worden war. Im letzten Punkt des zwanzig Abschnitte umfas- senden Geständnisses erklärte die Tannerin, dass sie unter Drohungen von Bastian gezwungen wor- den sei, mit ihm hinweg zu ziehen. Sie habe ihn je- doch nie dazu verleitet, seiner Ehefrau und seinen 9) Liechtensteinisches Landesarchiv RA 74/10, ehemals RA 144/10. 10) Die Turm-Wasserzeichen (wie Anm. 7), S. 245-259. 11] Liechtensteinisches Landesarchiv, Schä U 078. 12) http://goncalogy.euwcb.cz/sponlieiiii/sponh7.html (November 2004) 13) Manfred Tschaikner: «Der Teufel und die Hexen müssen aus dem Land ...». Frühneuzoitlicho Hexenvcrfolgungen in Liechtenstein. Vaduz. 1998 (Sonderdruck), ebenfalls in: Jahrbuch dos Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 96 (1998), S. 1-197. hier S. 74-75. Als Korrektur sei hier nachgetragen, dass die Endsilbe des Familiennamens Jakob Plenkis auch in der Dativform in den Punk- ten 1 3 bis 1 5 ein i enthielt (Plenkhin). 14) Kaiser (wie Anm. S), S. 372. 15) Joseph Ospelt: l.andammänner-Verzeichnis und Landammanner- Siegcl. In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 40 (1940). S. 37-51. hier S. 48. 16) Kaiser (wie Anm. 8). S. 372. 75
	        

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