BRANDBESTATTUNGEN AUS DER EISENZEIT VOM «RUNDA BÖCHEL» IN BALZERS / MARIANNE LÖRCHER Die in Erzen vorkommende Urmaterie konnte durch Feuer und Bearbeitung zu verfeinerter Mate- rie umgewandelt werden. (In der Kupfer- und Bron- zezeit erfolgte diese Umwandlung in erster Linie durch Glessen des verflüssigten Materials.) Mit Feu- er, Luft und Bearbeitung gelang eine andere Ver- wandlung, welche früher auch schon in der Nah- rungszubereitung und Tonwarenherstellung erlebt worden war. (Indianerstämme im Orinoko-Delta, Venezuela, benützen noch heute Feuer, um ihre höl- zernen Einbaum-Boote zu härten und damit dauer- haft und leicht zu machen.) Beim alltäglichen Umgang mit Eisengegenstän- den erlebte der Mensch in der Eisenzeit aber auch, dass seine Gegenstände sich in Feuchtigkeit verän- dern, sich verfärben, rosten und sogar zersetzt wer- den. Somit musste er sich auch ganz gezielt mit dem Element Wasser auseinandersetzen. (Selbstver- ständlich erlebte der Mensch in der Eisenzeit das Wasser nicht nur als zerstörend, sondern auch als Leben spendend, kühlend und wärmend, zum Bei- spiel in heissen Quellen.) Mittels Feuer werden Speisen geniessbar und leich- ter verdaulich. Feuer beseitigt Kälte, erhellt die Fin- sternis, härtet den Ton, schmilzt das Erz und macht die Metalle schmiedbar. Es vermag seuchenerre- gende Abfälle zu zerstören und zu beseitigen und wird auch zur Dämonenbekämpfung verwendet. Als Blitz kommt es vom Himmel und wird durch den Menschen an die Erde gebunden, strebt aber von seiner Natur her immer nach oben, dem Himmel zu. Feuer wurde und wird immer noch vom Menschen genutzt und gehegt (Schutz vor wilden Tieren, Brandrodung, Llöhenfeuer, Hochöfen, Gartengrill, Cheminee, Familienfeuersteilen im Wald, Kerzen, ewiges Licht in der Kirche usw.). Feuer ist lebendig, eines der vier Grundelemente, eine vom Menschen gefesselte Naturkraft, und kann sich durch Umstände (zum Beispiel durch Wind oder bei Überhitzung) zum Schadenfeuer wandeln. Feuer macht Funken, kann überspringen, macht Geräusche, wie alle anderen Elemente auch, und tritt über alle Sinne auf seine Elementarart mit dem Menschen in Dialog.
Diese Alltags-Erfahrungen bewegten vielleicht den Eisenzeit-Menschen, mit der «Materie» seiner verstorbenen Mitmenschen ähnlich zu verfahren, um ihren religiösen Vorstellungen gerecht zu wer- den. Der Veränderungsprozess wurde hier auch durch Feuer beschleunigt. Ein Stoff wird durch Er- wärmung (Verdampfen von Wasser) auf sein Wesen (das Selbst), seine Essenz reduziert. In einem weite- ren Schritt wird dann vielleicht die reine Essenz noch verdichtet (symbolisch durch Zerkleinern von Leichenbrand) um weitere Flärtung zu erreichen. Was in der Alchemie versucht wird, nämlich reine Substanz herzustellen, könnte hier schon prakti- ziert worden sein. Feuer und Luft bewirken also bei der Brandbe- stattung die Verwandlung eines «Unreinen» oder gemischten Stoffes in einen «reinen» Stoff, durch Entzug von Wasser. Symbolisch wird dem Verstor- benen durch die Verbrennung der materiellen Hülle einerseits Harte und andererseits auch Leichtigkeit gegeben, die Erdanziehung (Magnetismus) wird so- zusagen überwunden, der Übergang in die neue Welt oder Daseinsform damit erleichtert. (Eisen ver- ändert seine magnetischen Eigenschaften auch im Feuer.) Es könnte sich auch (oder und) um eine alternieren- de Entwicklung in den Bestattungssitten handeln, indem nach der Auseinandersetzung mit den Ele- menten Erde und Wasser (bei Erdbestattungen) nun eine Auseinandersetzung mit den Elementen Luft und Feuer konstelliert war: die Astrologie lehrt uns, dass durch die Verschiebung des Frühlingspunktes 67) Müllcr-Karpo. 1980. 68) Fischer, 1998. S. 313 ff. 69) Kuiiter. 1989. 70) 0'Brien, 1994. 71) Beck, 1993, S. 7. 72) Koolmann und Böhm, 1994. 73) Hans Christian Andersen. 1995. S. 335-352. 74) Beck, 1993. 75) Uyldert, 1984. 215