Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

terdrückung hin, sondern insbesondere auf die mo- ralischen und sittlichen Komponenten/'4 Kaiser er- wähnt insbesondere Bestimmungen zum Gottes- wort und den Predigten, zu Gotteslästerin Fluchen und Schwören, zu Zauberei, Aberglauben und Wahrsagen, zu den Gaststätten, der Völlerei und dem Zutrinken, dem Faulenzen und Müssiggang, Spielen, Kuppeln, heimlichem Zuhalten u.a. Aus unserem Blickwinkel der Zensur sind dabei vor al- lem Tanz- und Spielverbote während Gottesdiens- ten und die Verbote von Gotteslästerung, Fluchen, Zauberei, Aberglauben und Wahrsagerei zu erwäh- nen.65 Zur Umgehung der Zensur in den Ländern des Reiches wurden verschiedene Wege beschritten. Gegen die Auflage, dass Bücher Angaben über den Autor, den Drucker, den Druckort und das Erschei- nungsjahr enthalten mussten, wurde etwa mit fin- gierten Namen und Ortschaften operiert, die Dru- ckerordnung wurde mit dem Druck von Büchern ohne jegliche Angaben umgangen, oder Bücher wurden ausserhalb des Reichsterritoriums - etwa in Amsterdam - gedruckt.66 HEXENWAHN IN LIECHTENSTEIN Im nachmaligen Liechtenstein wirkte die Zensur zu jener Zeit vor allem indirekt, das heisst durch die Eingliederung in grössere Herrschaftsbereiche. Die lokale, ländliche Bevölkerung des heutigen Liech- tenstein dürfte davon allerdings nur wenig berührt worden sein. Dies änderte sich radikal mit der He- xenverfolgung, die eine spezielle Form der Verhal- tenszensur darstellt. Hexenprozesse gab es in der Grafschaft Vaduz spätestens seit 1598. Sie erfolg- ten in mehreren Wellen bis 1680 und forderten schätzungsweise gegen 200 Todesopfer.67 Der Hexenwahn stiess nach Erkenntnis von Tschaikner in der Grafschaft Vaduz und der Herr- schaft Schellenberg auf Seiten der Bevölkerung auf ein Bedürfnis.68 Aberglaube und Denunziation er- gaben eine tödliche Mischung. Zensur wurde wohl weniger im herkömmlichen Sinne ausgeübt. Viel mehr dürften irrationale Geschehnisdeutungen, Be-spitzelungen, 
Anschuldigungen, gnadenlose Ver- hörmethoden und Verurteilungen eine Wirkung auf das Verhalten der Bevölkerung ausgeübt haben. Zensur war in diesem Sinne wohl ein Element der Alltagskultur geworden. Weitere die LIexenverfolgung begünstigende Um- stände waren die LIaltung der katholischen Kir- che,69 die von Pest, Armut, Llungersnot und Dreis- sigjährigem Krieg geprägte Zeit, die Finanzkrise des hohenemsischen Herrscherhauses und die schwache Einbindung in eine übergeordnete Herr- schaftsebene, welche etwa im Falle der österreichi- schen Gebiete verwaltungstechnische Hürden bei den Hexenprozessen schuf.70 Der Hexenwahn fand in einer Zeit statt, in wel- cher das dogmatische christliche Weltbild durch die Erkenntnisse der Wissenschaft in Gefahr geriet. Der Fall von Galileo Galilei (1564-1642) ist dabei in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.71 Galileo be- kannte sich zum heliozentrischen, kopernikani- schen Weltbild, wonach sich unter anderem die Erde um die Sonne dreht. Die Wissenschaftler wa- ren sich bewusst, dass dies der christlichen Doktrin des ptolemäischen Weltbildes, die in Bibelstellen belegt war, widersprach.72 Es wurde versucht, bi- belkonforme Gegenbeweise angetreten. Galileo ge- riet jedoch in die Fänge der Inquisition und wurde unter lebenslangen LIausarrest gestellt (1633- 1642), nachdem er offiziell seinen Gedanken abge- schworen hatte. Erst 1992 wurde Galileo Galilei durch Papst Johannes Paul II. rehabilitiert. Giorda- no Bruno (1548-1600), ein Zeitgenosse Galileos, wurde dagegen 1600 auf dem Scheiterhaufen hin- gerichtet. Er hatte in seinen Schriften ein Weltbild vertreten, das über das kopernikanische hinaus- ging. Insbesondere hatte er aber auch in seiner pantheistischen Weltsicht den dreieinigen Gott der katholischen Kirche in Frage gestellt.73 148
	        

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