Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

ZENSUR IM GEBIET DES HEUTIGEN FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN / WILFRIED MARXER wurden die Zensurregelungen Bestandteile landes- herrlicher Polizeiordnungen.56 Mit dem <Index Librorum Prohibitorum> ab 1569 ging insbesondere in den katholischen Reichsterri- torien die weltliche und die geistliche Zensur Hand in Hand.57 So wurde in Bayern ein Religionstribu- nal als Zensurbehörde installiert. 1579 wurde in Frankfurt als einer der führenden Druckerstädte eine kaiserliche Bücherkommission als Kontrollor- gan etabliert, welche insbesondere während der Frankfurter Buchmesse das Buchdruckwesen kon- trollierte.58 Die Zensur wurde zunächst wesentlich als In- strument in der kirchlichen Auseinandersetzung während der Reformation eingesetzt. Mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 sollte jedoch der Kampf der verschiedenen Glaubenslehren be- endet werden.5'J Dies war jedoch nicht von Dauer. 1593 wurden etwa in Württemberg katholische Bücher generell verboten,60 obwohl sich die Zensur gemäss Reichspolizeiordnung von 1577 nicht ge- gen Schriften des anderen Glaubens richten sollte, sondern gegen Schriften, die «der allgemeinen christlichen Lehr und [dem] zu Augspurg aufge- richte Religionsfrieden» entgegenstanden.61 Die Orts- obrigkeiten sollten mit Strafe belegt werden, «wenn sie die Vorzensur nicht streng ausübten und gegen Verfasser, Drucker, Verkäufer und Rezipienten zen- sierter Schriften nicht entschieden genug vorgin- gen.»62 Die Gegenreformation setzte aber trotzdem ein, die konfessionellen Auseinandersetzungen, gepaart mit Machtansprüchen weltlicher Herrscher, eska- lierten und führten zum Dreissigjährigen Krieg (1618-1648). Mit dem Westfälischen Frieden von 1648, welcher die Koexistenz der Religionen besie- gelte und den Reichsterritorien die religiöse Hoheit bei gegenseitiger Toleranz überliess, galt nunmehr endgültig eine Zensurpflicht für alle Schriften wider den Augsburger Religionsfrieden von 1555. Neben der lutherischen wurde auch die reformierte Kon- fession als gleichberechtigt anerkannt. Als weitrei- chende Folge hatte der Dreissigjährige Krieg darü- ber hinaus zu einem Erstarken der Landesfürsten geführt, die nun praktisch vollständige Souveräni-tät 
genossen, selbst wenn der Kaiser noch bis 1806 formale Kompetenzen besass.61 Im späteren Liechtenstein weist die Darstellung der Reichspolizeiordnung von 1577 bei Kaiser we- niger auf einen Religionszwist oder politische Un- 43) Kaiser 1989, S. 354 f.; vgl. auch Seger 1967, S. 73. 44) Vgl. auch Anm. 31. 45) Fitos 2000. 46) Ebenda. S. 71. 176 und 206 f. Die bedeutendsten Druckorte zen- sierter Schriften waren Magdeburg, Leipzig. Tübingen. Wittenberg. Eislüben. Frankfurt/Main und Nürnberg. 47) Fitos 2000, S. 84. 48) Die «internationalen» Druckzentren waren Köln. Basel, Frank- furt/Main, Leipzig, Sirassburg. Wittenberg. Augsburg, Nürnberg und Tübingen, in Frankreich Paris und Lyon, in Italien Venedig. Rom. Florenz, Mailand und Bologna (Fitos 2000. S. 85). 49) Für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zählte Fitos 2000. S. 176 insgesamt 2932 theologische Schriften, 364 historische Druck- schriften, 303 aus der Rubrik «Mancherley Bücher in allerley Klas- sen», 128 medizinische Bücher. 99 zur Musik und I 5 juristische Schriften. 50) Wüst verwendet für die Zensur vor 1800 die Schreibweise <Censur>. Wüst 1998. S. 11. 51) Eisenhardt nach Plachta 1994, S. 11. 52) Plachta 1994, S. 16. 53) Ebenda. S. 13. Je nach konfessioneller Mehrheit, landesherrli- cher Glaubensrichtung und Vergabe von Zensurprivilegien konnte die Organisation der Zensur stark variieren. Vgl. Wüst 1998 an den Beispielen Augsburg. Bayern. Kurmainz und Württemberg. 54) Plachta 1994, S. 1 1. 55) Wüst 1998, S. 43. 56) Ebenda, sowie Plachta 1994. S. 13. 57) Fitos 2000, S. 28. 58) Vgl. Plachta 1994, S. 16 ff.: Jones 2001, S. 1083. 59) Der Augsburger Religionsfricden stellte einen politischen Koni- promiss in der Auseinandersetzung zwischen lutherisch-protestanti- schen und katholischen Reichsständen dar. In der Folge sollten die Landesherren jeweils die Religion bestimmen können («cuius regio, cius religio»). Vgl. Jones 2001. S. 523. 60) Wüst 1998, S. 44. 61) Nach Plachta 1994, S. 13. Die Reichspolizeiordnung von 1577 - Erweiterungen der Polizoiordnungen von 1 530 und 1 548 - blieb faktisch als Grundgesetz bis 1806 in Kraft. 62) Fitos 2000, S. 28. 63) Vgl. Plachta 1994. S. 22 ff. 147
	        

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