Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

ZENSUR IM GEBIET DES HEUTIGEN FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN / WILFRIED MARXER Einleitung ZUM BEGRIFF DER ZENSUR Der Begriff Zensur bedeutet Bewertung oder Beno- tung.' Diese Wortdeutung ist auch heute noch im Sprachgebrauch vorhanden, wenn etwa in der Schule gute oder schlechte <Zensuren> verteilt wer- den. Sobald aber eine Kontrollinstanz eine negative Bewertung eines Untersuchungsgegenstandes mit der Folge vornimmt, dass eine Meinungsäusserung aufgrund dieser Zensurierung unterdrückt wird, nimmt der Begriff Zensur seine zweite Wortbedeu- tung an, nämlich diejenige des Verbotes. Zensur wird dann definiert als «autoritäre Kontrolle münd- licher, schriftlicher oder bildlicher Aussagen die direkt oder mit Hilfe von Druckerpresse, Massen- medien oder sonstiger Techniken interpersonaler Kommunikation verbreitet werden können.»^ Im Historischen Lexikon der Schweiz bezeichnet Zen- sur «die kirchliche oder staatliche Überwachung von öffentlich gehaltenen Reden, bildlichen Darstel- lungen, Druckerzeugnissen, Theater, Filmen, Rund- funk- und Fernsehsendungen und anderer Massen- medien.»:< Zensur ist in seinen praktischen Bedeutungen sehr vielschichtig. Sie kann nach Motiven, Akteu- ren, Medien und Adressaten differenziert werden. Die Motive können religiös, politisch, wirtschaft- lich, sozial, sittlich, feministisch, jugendschütze- risch, staatsschützerisch, militärisch u.a. sein. Als Akteure kommen die Kirche, der Staat, Private, Gruppen, die Wirtschaft, Unternehmen, Medien u.a. in Frage. Die von der Zensur betroffen Medien können die Sprache und Rede, die Literatur, die Bildende Kunst, Theater, Presse, Plakate, Flugblät- ter, Musik, Radio, Fernsehen u.a. sein. Adressaten von Zensur sind beispielsweise Verleger und Her- ausgeber, Autoren und Künstler, Parteien und In- teressengruppen, Radio- oder Fernsehsender, Ver- bandsmitglieder u. a. Zeitlich wird unterschieden zwischen Vorzensur (Präventivzensur) und Nachzensur (Prohibitivzen- sur). Die Zensur kann von Auflagen - wie beispiels- weise einer Altersbeschränkung" bei Filmen - bis hin zu Verboten und Beschlagnahme oder sogar strafrechtlicher oder kirchlicher Verfolgung reichen. 
Die Zensur kann hinsichtlich der erwähnten Mo- tive, Akteure, Medien und Adressaten je nach poli- tischem System und Systemtyp, in welchem sie an- gewendet wird, stark variieren.4 Gemäss Histori- schem Lexikon der Schweiz zielt Zensur «auf die in- haltliche Kontrolle der Kommunikation über politi- sche, wirtschaftliche, soziale und religiöse Themen; sie dient letztlich den jeweiligen Herrschaftsträgern zur Absicherung der Macht.»"' Entsprechend wird im Historischen Lexikon der Schweiz die strafrecht- liche Verfolgung von Verleumdungen, Darstellungen extremer Gewalt oder harter Pornographie nicht als Zensur verstanden. Es handelt sich damit um eine Eingrenzung des Zensurbegriffs auf politische Zensur, wobei auch die kirchliche Zensur im weite- ren Sinne als politische Zensur aufgefasst werden kann. Demgegenüber wird im vorliegenden Beitrag ein ausgedehnter Zensurbegriff unter Einschluss der weiter oben erwähnten Aspekte zugrund ge- legt. Der Beitrag kann dabei nur einen überblicks- artigen Streifzug durch die Zensurgeschichte Liech- tensteins bieten. Spezifische Studien zur Zensur in Liechtenstein existieren nicht. Der Aspekt der Zen- sur wurde bisher erst als Randerscheinung in ver- schiedenen Forschungsprojekten behandelt. Wenn nun im Folgenden die Zensur im Gebiet des heutigen Liechtenstein nachgezeichnet werden soll, ist zu berücksichtigen, dass nicht nur tatsäch- liche Zensurakte im heutigen Staatsgebiet relevant I) Gin Diink für die kritische Lektüre des Manuskriptes und wertvol- le Hinweise geht an Rupert Quaderer und Klaus Biedermann. 21 Otto. Ulla 1968. S. 5. Daran anlehnend die Definition von Fi tos 2000. S. 1 als «geplante und vollzogene, autoritäre Kontrollo von allen denkbaren Kommunikationsformen mit dem Ziel, eine öffentli- che Wirkung unerwünschter Meinungen zu verhindern.» 3) Historisches Lexikon der Schweiz: www.dhs.ch (Zugriff am 29. Juni 2004). 4) Vgl. I'olcg 1993. Zensur bzw. der Grad an freier Meinungsäusse- rung ist. auch ein Gradmesser der Demokratie (vgl. Freedom I louso Index der Deniokratiemcssung). In autokratischen Regimes ist Zensur verbreitet. Als Beispiele können kommunistische, staatssozialisti- sche, totalitäre, rassistische oder faschistische Regimes im 20. Jahr- hundert genannt werden. 5) Historisches Lexikon der Schweiz: www.dhs.ch (Zugriff am 29. Juni 2004). 139
	        

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