Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

Was die finanziellen Lasten nicht zustandebrach- ten - das Kesseltreiben gegen die Brüder Rotter, ge- gen die Juden, die nationalsozialistische Feder hat dieses Ziel erreicht. Für die Richtigkeit meiner Dar- stellung kann ich Ihnen einen Zeugen beibringen. In der «Neuen Freien Presse» vom 28. Januar 1933 schreibt ein anerkannter Theaterfachmann: «Allgemeine Kriegsverarmung und im Besonde- ren die Zerstörung des Bürgertums haben den Ver- stadtlichungs- und Verstaatlichungsprozess der deutschen Bühnen beschleunigt. Ohne die Mittel der öffentlichen Hand kann fast kein Sprechtheater in Deutschland leben, auch die bescheidensten Ver- einstheater der Arbeiterschaft werden durch die Gespenster der Arbeitslosigkeit entleert. Jeder, der seit 5 Jahren in Berlin als freier Unternehmer Thea- ter betreiben wollte, ist mehr oder weniger schnell zusammengebrochen, Reinhardt wie Barnowsky, Robert Klein wie Meinhardt und Bernauer, Saiten- burg wie Eugen Robert, von den kleinen Leichen nicht zu reden, die nach ein paar Tagen weg- geräumt und vergessen waren. Während dieses Massensterbens blieben die Rotters jahrelang quicklebendig, sie hatten Schulden, aber immer wieder kam ein ungewöhnlicher Publikumserfolg, der sie rettete». Gegen die infame Hetze aber waren alle Leistun- gen machtlos. Nur ein Beispiel: Der 
«Kampfbund I42 für deutsche Kultur» verhinderte das Auftreten von Gitta Alpar nur weil sie Jüdin ist, in dem letzten Zug- stück «Ball im Savoy» - dem grössten Kassenerfolg in Berlin seit langen Jahren, der Abendkassen bis zu M. 17 000 - brachte. Mit den gleichen Mitteln der Agitation verstand es der «Kampfbund» das Auftre- ten zweier anderer ungarischer, beim Berliner Pu- blikum populärer Künstler in diesem Stück zu ver- hindern, sodass es vom Spielplan abgesetzt werden musste. Wenn dieser Riesenerfolg hätte ausgenutzt werden können, dann wären mit Hilfe der grossen Tageseinnahmen allein des Zugstückes «Ball im Sa- voy» sämtliche laufenden Verpflichtungen des ge- samten Konzerns zu decken gewesen. Das hat man verhindert und den Zusammenbruch herbeigeführt - man hat ihn auch gebraucht und gewollt! Nun er da war, fanden auch die Kreise, die ihn herbeige-führt 
hatten, die Gründe, die selbstverständlich durchweg den Opfern dieser Kampagne unterge- schoben wurden. In erster Linie hiess es, dass die Rotters einen un- verantwortlichen riesigen persönlichen Aufwand getrieben hätten; man schliesst dies aus einem gros- sen Haushalt und gelegentlichen Diners grossen Stils mit zahlreichen Gästen. Die einfachste Überle- gung müsste jedem klar machen, dass es zur Lei- tung eines grossen Konzerns solcher Art, der im be- sonderen Masse im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, unerlässlich ist, über zahlreiche Räume zu verfügen, in denen mit Künstlern der verschieden- sten Art verhandelt, auch geprobt werden, in denen Besprechungen wirt-/*'schaftlicher Art auch im grösseren Kreise erledigt werden konnten. Persön- lich haben die drei Rotter keinerlei Luxus getrieben, sie hatten auch gar keine Zeit dazu, da sie immer ar- beiteten. Um dies tun zu können, um Tag und Nacht für Theaterarbeit verfügbar zu sein, hatte z. B. Fritz Rotter auf eine eigene Wohnung verzichtet. So ha- ben die Drei unablässig ihren Theaterunterneh- mungen gedient. Zum Belege einige Blätter aus dem von Frau Gertrud Rotter geführten Tagebuch: «Sonntag, den 24. April 1932. 2V2 Lerch. Dann Probe. Alfred alles geändert. 5 Uhr zuhause. Tauber mitgegangen. 6 Uhr Rebner und Frau. Dir. Müller Operette vorgespielt. Tauber dabei bis 7 Uhr. Später Sander und Lüpschütz (einer der geschäftlichen Direktoren der Rotter) bis 2 Uhr. Montag, 9. Mai 1932. Zu Tisch allein. Zum Cafe Denes, Barsony, Bern- hardy und verschiedene Leute zum Vorsingen. Ab 6 Uhr Lessingtheater Generalprobe, klappte noch gar nicht. Bis 3 Uhr geprobt. Zu Hause noch viel geredet bis 4 Uhr.» Grosse Empfänge und Diners gehörten zu den un- vermeidlichen Pflichten einer solchen Theaterlei- tung. Dabei zeigt Zahl und Art der Besucher, dass die Gastgeber ungewöhnliche Schätzung genossen. Zu dem Freundeskreise gehörten der Staatsse- kretär des deutschen Reichspräsidenten, Dr. Meiss- ner und Frau, der General und spätere Reichskanz- ler v. Schleicher und Frau, zahlreiche Botschafter 86
	        

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