Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

ZUR ERSTVERÖFFENTLICHUNG DES ROSENBAUM- PLÄDOYERS / WLADIMIR ROSENBAUM die geflissentlich genährte öffentliche Meinung, der zufolge die Rotters zu minderwertigen Schiebern und Betrügern gestempelt worden sind, völlig un- richtig ist. Eines bedarf allerdings der Flervorhebung - und das kann gar nicht laut und deutlich genug gesagt werden: die amtlichen Verlautbarungen der preus- sischen Justiz, der Haftbefehl des Amtsgerichtes Berlin-Mitte vom 8. März 1933 und die Bekanntma- chung des Preussischen Justizministeriums zum Fall Rotter sind keine schlackenreinen Informati- onsquellen, aus denen man die Wahrheit schöpfen könnte. I28 Ich will auch hier aufs Sorgsamste bemüht blei- ben, mich von aller Politik fernzuhalten; ich würde jedoch meine Pflichten als Sachwalter der Privatbe- teiligten, zugleich aber auch die Berufsehre des An- waltstandes aufs Schwerste verletzen, wenn ich nicht die Punkte offen hervorheben würde, die ein Unrecht und die Gefahr unrechter Beurteilung in sich schliessen. So muss ich darauf aufmerksam machen, dass die beiden von mir genannten Akte nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland herausgebracht sind. Dass dies kei- ne zufällige zeitliche Fügung ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass das Preussische Justizministerium in einem solchen Fall, vor allem aber in diesem Stadi- um des Strafverfahrens, noch niemals Stellung ge- nommen hat. Dies ist eigentlich auch ganz selbst- verständlich, da das Justizministerium keine rich- terliche, sondern nur eine beaufsichtigende Verwal- tungsinstanz ist. Das hat im vozdiegenden Falle das Ministerium nicht gehindert, in schwebenden, noch im Stande der Ermittlung befindlichen Verfahren in einer Weise Stellung zu nehmen, dass jeder Leser durch den Wortlaut fest überzeugt wird, die Schuld der Rotters sei bereits zweifelsfrei festgestellt. Dies ist umsomehr der Fall, als nicht nur Tatsachen, son- dern auch Werturteile mitgeteilt werden. Der ge- schulte Jurist liest diese beiden Dokumente mit Schrecken und Widerwillen, weil sie nicht präzise gefasst sind, sondern mit abfälligen Bemerkungen und/-9Beschimpfungen operieren, «von grösster Wahrscheinlichkeit» und aus ähnlichen völlig un- greifbaren Annahmen ihre Folgerungen ziehen. Ju-ristisch 
völlig unbegreiflich ist es beispielsweise, dass den Rotters Untreue im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches vorgeworfen wird, obwohl dieses Delikt nur bei der Verwaltung fremder Gelder in Frage kommt, während die Rotters nur mit eigenen Geldern und ihren eigenen Bankkrediten gearbeitet haben. Befremdend ist die Leichtfertigkeit, mit der die Klärung der Geldverhältnisse in Angriff genom- men wird. Von den Passiven wird gesprochen - die grossen Aktiven bleiben unerwähnt. Eine Zeitung hat behauptet, es seien vorhanden: an Passiven 3,87 Millionen Mark - an Aktiven Mark 4500 - als Erlös eines Autos und Mark 1000.- Kau- tionsrest. - Wie steht es in Wirklichkeit: Die Passi- ven betragen 4,5 Millionen; davon sind aber etwa 3,5 Millionen Hypothekenschulden und daher von Vorneherein nicht auf anfechtbare Geschäftsgeba- rung zurückzuführen - reine Schulden aus den Theaterbetrieben sind, neben im Streite befindli- chen Steuerforderungen von etwa M. 300 000 - und weiteren ca. M. 200 000 - an Konsortialverpflich- tungen und dergleichen, nur rund Mrk. 500 000.- zu verzeichnen. Diesen Passiven von insgesamt Mrk. 4,5 Millionen stehen u. a. folgende Aktiven gegenü- ber: I30 - Drei wertvolle Berliner Grundstücke mit ihren Gebäuden - nämlich: 1. ) das Lessingtheatergrundstück mit einem Frie- denswert von 3,8 Millionen, 2. ) das Grundstück Friedrichstrasse 236 mit dem Lustspielhaus und mehreren Geschäftshäusern mit einem Friedenswert von rund 2,5 Millionen, 3. ) die Grundstücke Alte Jacob- und Oranien- strasse mit dem Centraitheater, mit einem Frie- denswert von 1,6 Millionen, das heisst Grundstücke allein, die einen Friedens- wert von insgesamt 7,9 Millionen Mark repräsentie- ren. Zu diesen Aktiven kommt noch der wertvolle Theaterfundus, der mit einer Million eher zu nied- rig, als zu hoch beziffert ist, ferner eine Reihe von Beteiligungen an Erträgnissen von zugkräftigen, in der ganzen Welt gespielten Theaterstücken und Operetten. Bei alledem ist das persönliche Vermö- gen der Geschwister Rotter noch nicht berücksich- tigt. 81
	        

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