gar - nach seiner eigenen Aussage - dem Rheinber- ger den Vorschlag macht, die Tat vom Lande aus, d. h. von Liechtenstein aus, in Scene zu setzen. Man verabredet, dass Schädler die Bekanntschaft der Rotters suchen, sich in ihr Vertrauen einschleichen solle, um eine günstige Gelegenheit auszuspähen. Bei dieser Gestaltung lässt sich allerdings, trotz des vorherrschenden Geschäftsinteresses von Schädler sein Gewissen - nach Kant die Offenbarung des Göttlichen im Menschen - nicht völlig betäuben. Ob nun die Darstellung Schädlers richtig ist, wonach seine heftigen Bedenken gegen den von ihm aus- zugebenden Vertrauensbruch gegenüber den Rot- ters durch Röckles Hinweis auf den Grundsatz, «der Zweck heiligt die Mittel» zerstreut worden seien, kann dahingestellt bleiben. Das Ergebnis ist jeden- falls, dass diese beiden Angeklagten, Schädler und Röckle, welche die treibenden Kräfte des ganzen Unternehmens waren, sich schliesslich unter Zu- rückstellung aller Bedenken auf die Entführung fest- legten. Sie fanden die volle Zustimmung Rheinber- gers zu ihrem Plan, der in Konstanz unter den dorti- gen Nationalsozialisten bereitwillige Helfer fand. Und auch Frommelt, den man noch hinzuzog, hatte keine Bedenken. Und nun ging es wie bei allen üblen Taten in der Geschichte der Völker und Menschen: für jede Recht und Sitte widersprechende, für jede verbrecheri- sche Handlung wird nachträglich, um das eigene Gewissen zu beruhigen und die anderen zu täu- schen, ein Deckmantel zurechtgeschneidert, um die unanständige Blosse zu verhüllen. Im vorliegenden Falle war es wieder der «nationale» Deckmantel, der - entsprechend zurechtgemacht und unter Hin- zufügung des üblichen Druckes auf die Allgemein- heit - sich, wie stets, auch hier als wirksam erwie- sen hat. Glauben Sie nicht, meine Herren, dass ich damit etwas gegen das Nationalgefühl sagen will, gegen die Verbundenheit mit dem Staatsvolk, dessen Wohl für jeden ehrenhaften Menschen die erste und all- zeit massgebende Grundlage seines Denkens und Handelns ist. Auch darin habensich die Juden von niemandem übertreffen lassen und haben gera- de auch in Deutschland, wo ihnen heute ein in der
Weltgeschichte noch niemals dagewesener, von der Regierung verordneter Hass entgegentritt, während des Weltkrieges gezeigt, dass sie für ihr Vaterland rückhaltlos mit Gut und Blut eintreten - sind doch von 550 000 deutschen Juden insgesamt 100 000 im Felde gewesen, und von diesen 80 000 an der Front! Über 12 000 haben ihre Treue zum deutschen Volk und Vaterland durch den Heldentod bewiesen. So bin ich gewiss der letzte, der euch nur das Geringste gegen ein gesundes und edles Nationalgefühl sagen möchte. Etwas gänzlich anderes aber ist es um das falsche, um das verirrte Nationalgefühl, das wir als Nationalismus zu bezeichnen pflegen - die Den- kungsart, die, aus Selbstüberhebung und Hassele- menten zusammengesetzt, als krankhafte Überstei- gerung sich in Grundsätzen und Taten äussert, die dem Wohl der Menschen und Völker, zugleich aber auch den Gesetzen des Rechts und der Moral wider- spricht. Die hier zur Erörterung stehende Tat bietet ein Schulbeispiel für solche Abwege, die zu beleuch- ten und möglichst endgültig zu versperren allen an- ständigen Menschen Herzenssache und Pflicht, im besonderen Masse aber Sache einer gesunden Poli- tik und jeder Rechtspflege sein
sollte. I27 IV. Herr Präsident, meine Herren Richter! Bisher habe ich die zur Aburteilung stehende Tat und deren Vorbereitung, ferner aber auch den Bo- den, aus dem sie erwachsen ist, behandelt. Nun- mehr komme ich zu einem weiteren Abschnitt mei- ner Ausführungen und zwar dem Kernpunkt, des- sen wahrheitsgemässe Schilderung die Sachlage in einem völlig neuen Lichte erscheinen lässt: zur Schilderung der Persönlichkeiten der Opfer, für die ich hier stehe. Ich bin der festen Überzeugung, dass alle, die hier versammelt sind, auf Grund des von mir vorzutragenden und mit Beweisen zu belegen- den Materials das Verwerfliche der Tat unzweifel- haft erkennen, darüber hinaus aber auch einsehen werden, dass der Ausgangspunkt, nämlich die Ein- stellung zu den drei Rotters, durchaus falsch war. Sie werden sehen und mir zugeben müssen, dass 80