Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

deten sind schuldig». Dies ist die «communis opi- nio». Hat sie recht? Ich sage: Nein und dreimal nein. Wahrlich, die Versuchung liegt nahe, die Sache der Verletzten in derselben aggressiven und leiden- schaftlichen Weise zu vertreten wie es die Angeklag- ten und ihre Freunde getan haben. Doch ich ver- spreche Ihnen noch einmal: Ich werde die Ruhe wahren. Obwohl mit dem einzig überlebenden Fritz Rotter in geradezu furchtbarer Weise verfahren ist, ihm der über alles geliebte Bruder und dessen wie eine Schwester ihm nahestehende Frau entrissen wurde, ihm selbst schwere Verletzungen verursacht und schliesslich für den Rest seines Lebens alle Vor- aussetzungen für ein befriedetes Dasein zerschla- gen sind - obwohl ich selbst ferner nicht nur in mei- nem eigenen Gefühl getroffen bin, sondern dasselbe auch für Millionen von Menschen meines Glaubens in allen Ländern gilt-, trotzdem will ich mich darauf beschränken, in aller Sachlichkeit für eine Klärung und Feststellung des Sachverhaltes, für die Richtig- stellung vorgefasster Meinungen und für die Fällung eines gerechten Urteils einzutreten. Goethe sagt vom Menschen: «Setzt er ewig sich in's Rechte, Ist er ewig schön und gross». So wollen wir alle, die wir hier versammelt sind, uns miteinander im Sinne solchen höchsten Men- schentums ins Rechte 
setzen. Iu Eines ist das Kennzeichen dieses ganzen Prozes- ses, der Angeklagten, der Tat: Man hielt die drei Rot- ters der ihnen zur Last gelegten angeblichen Verfeh- lungen für überführt; man war nicht nur überzeugt von ihrer Schuld, sondern darüber hinaus: die Stim- me des Volkes, gleichsam das in der romantischen Ideologie des neudeutschen Nationalismus begrün- dete und zuständige Volksgericht - meine Herren: Denken Sie an die Feme und ihre Taten im «erwa- chenden Deutschland» - hatte die drei Rotters ver- urteilt. Auf diesem Boden erwuchsen Plan und Tat; die Rotters sollten, wie der Angeklagte Rheinberger bei seiner Einvernahme sagt, «ihrer verdienten Strafe», wohlgemerkt: nicht der Klärung des Sach- verhaltes, zugeführt werden. 
Wie kam es zu der Tat? Wie spielte sich die Tat selbst ab? Einige Tage vor dem 5. April, dem Tag, an dem die Tat ausgeführt wurde, machen die Angeklagten Schädler und Rheinberger im Waldhotel die Be- kanntschaft der Geschwister Schaie-Rotter, die dort seit einigen Wochen wohnten. Schädler lässt sich durch den Besitzer des Waldhotels den Rotters vor- stellen mit der Begründung, er sei Musiker und habe deshalb ein besonderes Interesse, mit den Rotters bekannt zu werden. Ahnungslos gehen diese in aller Freundlichkeit an den liebenswürdigen jungen Mann heran, /'5 knüpfen mit ihm ein allgemeines Gespräch an über Musik und mancherlei andere Dinge, kommen dabei auf das Kurhaus des Schäd- ler, Gaflei, zu sprechen und schliesslich - Schädler leitet das Gespräch geschickt in diese Richtung - darauf, dass sie im Sommer einige Wochen dort zu- bringen möchten. Schädler erklärt sich gerne be- reit, den Rotters sein Gasthaus zu zeigen; er will sie an einem der nächsten schönen Tage in seinem Auto hinaufführen. Einige Tage nach dieser Unter- redung, an jenem furchtbaren 5. April, wird dann die endgültige Verabredung dahin getroffen, dass Schädler die drei Rotters um 2 Uhr mittags aus dem Waldhotel mit seinem Auto abholen soll. Als dann Schädler 
gegen 2'Vz Uhr kommt, begnügt er sich nicht damit, die Brüder und Frau Rotter mitzuneh- men, sondern animiert noch einen Besuch der Fa- milie Rotter, eine Dame aus Holland, Frau Wolf, die wegen Platzmangel im Auto zunächst nicht mitfah- ren will, doch ja mitzukommen. In bester Stimmung fährt dann die Gesellschaft ab. Neben Schädler, der das Auto fährt, sitzt Frau Gertrud Rotter in lebhafter freundschaftlicher Unterredung mit dem liebens- würdigen und netten Gastgeber. So kommt man bis zum Kurhaus Gaflei. Dort springt dann plötzlich, noch bevor das Auto hält, eine Rotte von Männern, die in ihren Händen Pistolen, Stricke, Schläuche und Flandschellen haben, hinter dem Hause hervor. Die- se Leute halten den ahnungslosen Gästen des Herrn Kurhausbesitzers die Pistolen entgegen, rufen «Hände hoch, wir schiessen» und machen auch gleich ihre Androhung wahr. /16 Die Rotters und ihr Gast springen aus dem Auto, es schmerzen ihnen 76
	        

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