Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

ZUR ERSTVERÖFFENTLICHUNG DES ROSENBAUM- PLÄDOYERS / PIUS HEEB DIE VERWEISUNG DER PRIVATBETEILIGTEN AUF DEN ZIVILRECHTSWEG Das Kriminalgericht hat die Privatbeteiligten mit ihren Ersatzansprüchen, die über den Zuspruch in Ziff. 1 hinausgingen, gemäss § 238 StPO auf den Zi- vilrechtsweg verwiesen. Es begründete dies zusam- mengefasst damit, dass diese Ansprüche weder dem Grunde noch der Flöhe nach ausreichend belegt wa- ren. Dies bedeutet nicht, dass die Schadenersatzan- sprüche der Privatbeteiligten abgewiesen wurden. Vielmehr wird damit ausgedrückt, dass weitere Be- weise, die über das Strafverfahren hinausgehen, in einem Zivilverfahren erhoben werden müssen, um über den Bestand der Schadenersatzansprüche ur- teilen zu können.31 SCHLUSSBEMERKUNGEN Abschliessend stellt sich die Frage, ob sich die liech- tensteinische Gerichtsbarkeit in der «Rotter-Affäre» rechtsstaatlich verhalten hat. Betrachtet man nur die aktenkundige, verfahrens- rechtliche Seite, so ist diese Frage zu bejahen.32 Be- trachtet man jedoch die materielle Seite der Untersu- chung und des Urteils, so sind Zweifel angebracht. Zum einen ist es fragwürdig, dass die Untersuchung ausschliesslich in Richtung Menschenraub geführt wurde. Gewichtige Tatsachen, die auf eine Verfolgung der Schaie durch die Angeklagten hinwiesen und da- mit ursächlich für den Tod waren, wurden einfach übergangen. Zum anderen sind in Anbetracht des Er- gebnisses der Tat sowie des vorgegebenen Strafrah- mens die milden Strafen nicht nachvollziehbar. Das Kriminalgericht ging zwar von einer besonderen Schwere der Tat aus, brachte aber dennoch ausseror- dentliches Milderungsrecht zur Anwendung. Befrem- dend ist in diesem Zusammenhang besonders der an- geführte Milderungsgrund, dass die Tat «reinen, va- terländischen Motiven» entsprungen sei. 
Unter diesen Gesichtspunkten ist das ganze Ver- fahren als ein Beispiel «politischer Justiz» zu werten. Auch der historisch gängige Terminus «Rotter-Affä- re» wird dem verübten Verbrechen nicht gerecht und verharmlost.33 24JLGB1. 1922 Nr. 21. 25) Anklageschrift. S. 21 f. 26) Urteil. S. 25 f. 27) Ebenda, S. 26. 28) Ebenda. S. 27. 29) Ebenda, S. 27 f. 30) Vgl.: Altmann in: Altmann u.a.. § 54, S. 208 ff.: Höpler in: Altmann u.a.. § 91, S. 2761'. 31) Vgl. Warhanek in: Ehrenreich, § 238 StPO. S. 495. 32) Vgl. Peter Geiger. Bd. 1, S. 358. 33) Vgl. Haas und Quaderer. 55
	        

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