Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

ZUR ERSTVERÖFFENTLICHUNG DES ROSENBAUM- PLÄDOYERS / PIUS HEEB gründen verkündet und Rechtsmittelbelehrung er- teilt. Laut Schlussverhandlungprotokoll endete das Verfahren am 8. Juni 1933 um 23.00 Uhr. Anzumer- ken ist, dass das in den Gerichtsakten vorliegende Protokoll nur vom Vorsitzenden, nicht aber vom Schriftführer (Dr. Alois Vogt) unterzeichnet wurde.21 Was nunmehr das «nichtgehaltene Plädoyer» von Rechtsanwalt Rosenbaum betrifft, so soll an dieser Stelle nur kurz darauf eingegangen werden. Dieses Plädoyer befindet sich nicht im Gerichtsakt. Gemäss § 255 der 1933 geltenden StPO steht dem Privatbe- teiligten oder dessen Vertreter das Recht zu, seinen Schlussvortrag nach dem Staatanwalt an das Gericht zur richten. Dabei war es zulässig, innerhalb des Schlussvortrages neben den Privatbeteiligtenan- sprüchen auch die Schuldfrage zu erörtern. Aus- führungen hinsichtlich der Straffrage waren jedoch nicht zulässig.22 Grundsätzlich oblag es dem Vorsit- zenden des Gerichtes, das Verfahren zu leiten und nicht zum Verfahren gehörende Ausführungen zu un- terbinden. Sofern der Vorsitzende aufgrund der mündlichen Ausführungen Rosenbaums den Ein- druck gewann, dass es sich um ein «politisches Plä- doyer» handle, das vorwiegend die damals herr- schenden Verhältnisse in Deutschland bezüglich der Judendiskriminierung kritisierte, so hat der Vorsit- zende formal richtig gehandelt, da solche Ausführun- gen nicht geeignet waren, die Schuldfrage hinsicht- lich der Angeklagten zu klären und die Privatbeteilig- tenansprüche zu begründen. Rosenbaum wurde zwar das Wort entzogen, er erhielt jedoch nach Unterbre- chung der Verhandlung Gelegenheit, ein umgearbei- tetes Schlusswort an das Gericht zu richten. Eine solche prozessleitende Verfügung des Vorsit- zenden ist unter den damals gegebenen Umständen zu beleuchten und insbesondere in Betracht zu zie- hen, dass eine solche Entscheidung sehr schwierig ist und erhebliches Gespür des Vorsitzenden ver- langt. Auch hier muss der Vorsitzende vorab beurtei- len, in welche Richtung das Plädoyer geht und ent- sprechend den bisher gemachten Ausführungen ent- scheiden. Die Frage, ob daraus eine «parteiische» Verhandlungsführung abgeleitet werden kann, lässt sich aus juristischer Sicht nicht beantworten und muss offen bleiben. 
ALLGEMEINE ANMERKUNGEN ZUM URTEIL DER SCHULDSPRUCH Schädler, Rheinbergerund Frömmelt wurden als Tä- ter für versuchten Menschenraub (§§ 8 und 90 StG), und Roeckle als Mittäter (§ 5 StG) und nicht direkt an der Tatausführung beteiligt, verurteilt. Die juristische Argumentation und Subsumption des festgestellten Sachverhaltes ist auch nach heutiger Sicht richtig er- folgt. Das Urteil unterscheidet deutlich zwischen den unmittelbaren Tätern einerseits und dem mittelba- ren Täter andererseits und begründet dies auch lo- gisch und nachvollziehbar. Das Kriminalgericht ist hier auch im Wesentlichen der Anklageschrift gefolgt, hat aber die Tatbeiträge der Angeklagten anders als die Staatsanwaltschaft beurteilt. Auf die einzelnen Unterscheidungen an dieser Stelle einzugehen, wür- de zu weit führen.23 DIE STRAFZUMESSUNG Gemäss § 91 StG ist auf dieses Verbrechen «zur Stra- fe schwerer Kerker von fünf bis zehn Jahren zu ver- hängen, welcher jedoch, wenn der Misshandelte ei- ner Gefahr am Leben, oder an Wiedererlangung der Freiheit ausgesetzt worden, bis auf zwanzig Jahre verlängert werden kann.» In Übereinstimmung mit dem ausserordentli- chen Staatsanwalt hat das Kriminalgericht sich auf 16) SchlVerhProt. S. 5 f. 17) Vgl. Peter Geiger, Bd. 2, S. 54. 18) SchlVerhProt, S. 7. 19) Ebenda, S. 8 f. 20) Ebenda, S. 10: vgl.: Peter Geiger, Bd. 1, S. 349 f. 21) SchlVerhProt, S. 10. 22) Warhanek in: Ehrenreich. § 255. S. 504. 23) Anklageschrift. S. 20 f.: vgl. auch: Altmann in: Ehrenreich, §§5,8 und 90. S. 24 ff. und S. 74 ff ; Altmann und Höpler im Altmann u.a.. §§ 5. 8 und 90, S. 59 ff. und S. 276 f. 53
	        

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