Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

DIE WAPPENSCHEIBE DES GRAFEN HEINRICH VON MONTFORT / KARL HEINZ BURMEISTER VERSUCH EINER KUNSTGESCHICHTLICHEN EINORDNUNG Die Wappenscheibe mit der zentralen Figur des En- gels erinnert an die Stiftertafel des sogenannten «Montfort-Werdenberg-Altars» von 1465 (1483?) in der Staatsgalerie Stuttgart.17 Auf diesem Doppelflü- gelaltar, in dem von Hans d. J. und Ivo Strigel in Memmingen, den montfortischen Hofmalern,18 eine Maria Verkündigung und die ganze Familie des Gra- fen Hugo XIII. von Montfort-Tettnang-Rothenfels (darunter auch Graf Heinrich VII. als junger tonsu- rierter Kleriker) dargestellt wird. Unter dem Einfluss dieses Bildes, das dem Grafen Heinrich VII. von Jugend auf vertraut war, dürfte die unmittelbare Vorlage zu der Glasscheibe stehen: das i48619 und 149820 verwendete Siegel des Grafen Heinrich. Dieses Rundsiegel mit einem Durchmes- ser von 3,4 Zentimetern zeigt einen Engel in weitem Gewand, der seine rechte Hand auf den etwas schräg gestellten Montforter Halbrundschild stützt und mit der linken Hand den Spangenhelm hält, auf dem der bärtige Mannrumpf mit der Inful steht. Die Siegelumschrift auf einem mehrfach gefalteten Schriftband in gotischer Minuskel lautet «s. hain- rich graf zu muntfurt»; Hinweise auf den Status als Domherrn fehlen. Das entspricht dem Bildinhalt un- serer Wappenscheibe von 1492. Die Wappenschei- be wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Vorlage dieses Siegels geschaffen. Es liegt nahe, daran zu denken, dass als Siegel- stecher in erster Linie ein Goldschmied in Augsburg in Frage kommt. Aber auch ein Konstanzer Gold- schmied wäre in Betracht zu ziehen; zwar wurde das Siegel vor 1486 geschaffen und Graf Heinrich begann erst 1487, regelmässig in Konstanz zu resi- dieren, er war aber immerhin schon seit 1483 dort Domherr. Für einen Konstanzer Künstler könnte auch sprechen, dass in der Inschrift der Scheibe ein Hinweis auf die für Graf Heinrich damals ganz vor- rangige Konstanzer Domherrnstelle fehlt. Späte- stens seit 1493 war der kunstsinnige Graf einer der besten Kunden des Konstanzer Goldschmieds Ste- fan Maynow, bei dem er 1499 mit 121 Gulden ver- schuldet war.21 
ZUR DEUTUNG DER BILDINHALTE Der in der Spätgotik häufig anzutreffende Engel als Schildhalter stellt sich als Beschützer der durch das Wappen repräsentierten Familie (gegebenenfalls auch einer Stadt) dar.22 Darüber hinaus erhebt sich die Frage, inwieweit der Stifter sich selbst mit dem Engel identifiziert hat. Sein noch jugendliches Le- bensalter von 36 Jahren könnte auf den Engel eben- so zutreffen wie dessen Bekleidung mit einer einfa- chen Albe, wie sie von Chorknaben und Diakonen getragen wurde;23 Graf Heinrich gelangte trotz sei- ner Karriere nie über den niedrigen Weihegrad ei- nes Subdiakons hinaus; er blieb sozusagen Chor- knabe und durfte bei der Messe lediglich assistieren. 15) Über ihn vgl. Karl Heinz Bunneister: Graf Heinrich VII. von Montfbrt-Rothenfcls 1456-1512, Domherr zu Augsburg und Kon- stanz. In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Bd. 14. Hrsg. von Wulfgang Habcrl. Wcisscnhorn, 1993, S. 9-32: auch abgedruckt in Karl Heinz Burmeister: Die Grafen von Montfort. Geschichte, Recht. Kultur. Festgabe zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Alois Niederstätter (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs. N.F 2). Konstanz. 1996, S. 265-278. 16) Herbert Mader: Stiefenhofen, Mittelpunkt am Rande. Stiefen- hofen. 1983. S. 40. 17) Fdeltraut Rettich: Der Montfort-Werdeiiberg-Altar von Hans und Ivo Strigel. In: Kunst am See S. 1982, S. 65-71. 18) Peter Märker: Die Grafen von Montfort als Auftaggeber der Künstlerfamilie Strigel. In: Kunst am See 8, 1982, S, 72-81. 19) Hauptstaatsarchiv Stuttgart: Urkunde Weingarten Nr. 1665. 20) Bayerisches Hauptstaatsarchiv München: Urkunde Montfort Nr. 261. 21) Stadtarchiv Konstanz: Geschäftsbuch des Stefan Maynow 1480-1500; Signatur: D.II.33. Vgl. dazu A. Nuglisch: Das Geschäfts- buch des Konstanzer Goldschmiedes Steffan Maignow (1480-1500). In: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 61,1907. S. 456-470, hier besonders S. 463. 22) Suzanne Beeh-Lustenberger: Glasmalerei um 800-1900 im Hessischen Landesmuseum. Bd. 1-2 (Kataloge des Hessischen Landesmuseums, 2). Hanau, 1967/73. 23) Mendelsohn, Fngel (wie Anm. 14). S. 8. 309
	        

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