Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

gen erstrecken sich auch auf die Innenseite des Un- terkieferknochens. Jochbein und Stirnfortsatz des Oberkieferkno- chens sind leicht asymmetrisch (Abb. 3). Die Zähne sind kariesfrei. Parodontitis hat den Zahnhalteap- parat stark zurückgebildet. Die Folgen der Entzün- dung sind für das jugendliche Alter bemerkenswert. Auch die Aufnahme der Computer-Tomografie zeigt im Bereich von Kiefer- und Stirnhöhlen eine leichte Asymmetrie und Veränderungen der Kno- chenstruktur, die wohl auf chronische Entzündun- gen der Schleimhäute zurückzuführen sind. Die In- fektion könnte von den Kieferhöhlen ausgegangen sein. Die Röntgenaufnahme der Kiefer zeigt jedoch keinen auffälligen Befund (Abb. 11). Das Infektions- potential, welches hier - aus unbekannten Gründen - chronisch vorlag, muss als lebensbedrohend ein- gestuft werden. RUMPF UND EXTREMITÄTEN Während die Unterseite des rechten Schlüsselbeins ähnliche Auflagerungen wie im Kieferbereich auf- weist, sind die Rippen ohne Befund. Da in der Regel Auffälligkeiten an den Kieferhöhlen mit Lungenbe- funden korrelieren, kann angenommen werden, dass die Infektion der Lungen entweder noch nicht sehr schwer oder noch nicht weit fortgeschritten war. An den Knochen hat sie keine Spuren hinter- lassen. Hals-, Brust- und Lendenwirbel weisen keine krankheitsbedingten Veränderungen auf. Die Un- tersuchung des Kreuzbeins jedoch deutet auf eine Entwicklungsstörung hin. Der erste Kreuzbeinwir- bel ist unvollständig verknöchert. Ausserdem sind die Wirbelbogen, die das Rückenmark schützend umhüllen sollten, gespalten. Dabei handelt es sich um eine so genannte Spina bifida occulta (Lokalisa- tion: sakrale Spina bifida posterior), eine Missbil- dung, die schon sehr lange bekannt ist.7 Sie kann in schweren Fällen zu Lähmungen und Sensibilitäts- störungen an Rumpfund unteren Extremitäten, Bla- se und Mastdarm führen. In abgeschwächter Form können Fussdeformitäten unterschiedlichster Aus-prägung 
auftreten. Da die junge Frau das Alter von 19 Jahren erreicht hat, kann davon ausgegangen werden, dass ihr Leiden sie nicht stark beeinträch- tigt hat. Ihre nur unvollständig erhaltenen Fusswur- zelknochen weisen keinerlei Auffälligkeiten auf, die auf eine Fehlstellung der Füsse hinweisen. Einzig eine Veränderung der Oberflächenstruktur an bei- den Schienbeinen bei der Ansatzstelle des Ligamen- tum tibiofibulare anterius kann auf eine Knochen- hautentzündung hinweisen. Es ist denkbar, dass der Bandapparat des Fussgelenkes nicht sehr stabil war. Beim Bewegen der Beine und Füsse (Gehen, Laufen, Llüpfen, Springen) führte dies wohl des Öf- teren zum Einknicken in den Fussgelenken. VERGLEICH MIT ANDEREN FRÜHMITTEL- ALTERLICHEN FUNDEN Die Daten der gemessenen Knochenreste aus Grab 1 wurden mit jenen der weiblichen Skelette vom früh- mittelalterlichen Friedhof auf dem «Runda Böchel» in Balzers und darüber hinaus mit den Daten aus in der Schweiz durchgeführten Grabungen mit mittel- alterlichen Befunden verglichen.8 Dabei fällt auf, dass gewisse Schädelmasse unter denjenigen der übrigen Bestattungen vom «Runda Böchel» liegen. Dies dürfte mit dem noch nicht abgeschlossenen Wachstum der jungen Frau zusammenhängen. Da ihr Alter auf 18 bis 19 Jahre geschätzt wird, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Masse im Verlaufe ihres weiteren Lebens noch verändert hät- ten. Mit der errechneten Körperhöhe von 163 cm lag sie aber bereits in ihren jungen Jahren über dem Durchschnitt der damals lebenden Frauen vom «Runda Böchel». 252
	        

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