Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

ZUR ERSTVERÖFFENTLICHUNG DES ROSENBAUM- PLÄDOYERS / KLAUS BIEDERMANN verbrecherische Unternehmen vom Mittwoch grosse Aufregung ins Volk getragen [habe]». Das sei begreif- lich, aber es sei «kein Anlass zu einer Beunruhigung vorhanden».4 Damit wurde das «Volksblatt» seiner Rolle als der regierenden Fortschrittlichen Bürger- partei (FBP) nahe stehendes Presseorgan gerecht. Es war der Regierung offensichtlich daran gelegen, ei- nerseits die Tat zu verurteilen, aber andererseits de- ren mögliche Folgen tunlichst herunter zu spielten. Das Verbrechen an den Rotter blieb indes nicht ohne Folgen. Die von Hitler-Deutschland, aber auch von oppositionellen Kreisen in Liechtenstein scharf kritisierten Finanzeinbürgerungen wurden vorerst - für die Dauer eines Jahres - gestoppt.5 Es sei hier in Erinnerung gerufen, dass die Gebrüder Rotter im Jahr 1931 das Bürgerrecht der Gemeinde Mauren käuflich erworben hatten. Nun - nach den tragi- schen Vorkommnissen auf Gaflei - erarbeitete die liechtensteinische Regierung ein neues Gesetz, wo- nach Bürgerrechtsbewerber einen vorgängigen dreijährigen Wohnsitz in Liechtenstein nachweisen mussten.6 Zudem erliess der Landtag am 30. Mai 1933 ein Vollmachtengesetz, welches der Regierung «... die Vollmacht zur Vornahme aller Massnahmen, die für die Aufrechterhaltung" von Ruhe und Ord- nung sowie zur Wahrung des Ansehens und der wirtschaftlichen Interessen des Landes erforderlich sind» (Art. 1), erteilte.7 Zudem erachtete es die Re- gierung in Vaduz mit Blick nach aussen als wichtig, darauf hinzuweisen, dass der verbrecherische An- schlag auf die Rotter nicht von deutschen National- sozialisten ausgegangen sei.8 - Die Aufrechterhal- tung von Ruhe und Ordnung war oberstes Ziel, auch auf Kosten der parlamentarischen Demokratie. Nach aussen hin wollte man jede weitere Provokati- on des nationalsozialistischen Deutschland vermei- den. Dies hielt den Landtag jedoch nicht davon ab, ab 1934 die Einbürgerung von jüdischen Personen wieder zu bewilligen.9 
«DER FALL ROTTER: EIN ENTFÜHRUNGS- VERSUCH MIT TRAGISCHEM AUSGANG» Mit diesen Worten begannen die «Liechtensteiner Nachrichten» am 8. April 1933 auf Seite 1 ihren Be- richt zu den traurigen Ereignissen auf Gaflei. Sie hiel- ten zudem eingangs fest: «Alfred Rotter und seine Frau tödlich verunglückt». Der Bericht fährt wie folgt weiter: «Vergangenen Mittwoch, den 5. April, versuchte eine Anzahl jüngerer Leute aus Deutschland, anschei- nend. Nationalsozialisten, die Brüder Alfred und Fritz Rotter, welche sich mit ihren Damen in einem Auto nach Gaflei begeben hatten, gewaltsam aus Liechtenstein nach Deutschland zu bringen. Das of- fenbar ziemlich naiv angelegte Unternehmen miss- lang jedoch vollständig. Alfred Rotter und die beiden Damen konnten in den Wald entfliehen, während Fritz Rotter an den Händen gefesselt und in das Auto der (Entführen gebracht wurde; es gelang ihm je- doch, in einer Kurve aus dem Wagen herauszusprin- gen und ebenfalls zu entkommen. Die Täter flüchte- ten. An der Zollgrenze in Tisis fuhren sie, ohne beim Schweizerischen Zollamte anzuhalten, in schneller Fahrt durch, konnten dann aber, wie man hört, in Götzis von der Gendarmerie gestellt und verhaftet werden. Sie wurden hierauf an das Landgericht Feld- kirch überstellt. Auch in Liechtenstein wurden am Mittwochabend noch einige Verhaftungen vorge- nommen. Leider hatte das Abenteuer, dessen Ausführung an sich einer gewissen Komik nicht entbehren würde, leider sehr tragische Folgen. Alfred Rotter und die 3) «Liechtensteiner Volksblatt». 8. April 1933. 4) Ebenda. 5) Geiger, Krisenzeit. Band 1, S. 351 ff. 6) Ebenda. 7) Ebenda. S. 358. 8) Geiger. Krisenzeit. Band 2, S. 52. 9) Ebenda, S. 95-103. 19
	        

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