Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

1990 
1991 in den Quellen auf. 1815 stellt der josephinisch ge- schulte Landvogt Josef Schuppler fest, dass das Ver- waltungsgebiet am Oberrhein modernen Erforder- nissen nicht genüge und dass die Bevölkerung zu «fröhlichem Müssiggang-3» neige, statt auf dem Acker diszipliniert zu arbeiten. Er bemühte sich um eine Modernisierung des Staatswesens und um den Aufbau einer effizienten Verwaltung, stiess dabei aber auf den Widerstand der Bevölkerung, die den neuen Ideen skeptisch gegenüber stand und, so Schuppler, eine «Vorliebe für alles Alte»130 hegte. Ausdruck dieses Paradigmenwechsels mit dem Auf- treten der neuen Herrschaft ist auch die Klage, dass die alten Vertreter der Staatlichkeit ungeeignet seien. Für die neue, auf Wissen fussende Macht waren Illi- teraten im Staatsdienst ein Gräuel. Alles müsse von Grund auf anders werden, stellte deshalb Hofrat Ge- org Hauer bereits 1808 fest: Der bisherige Vogt ver- stehe von Amtsführung nicht das Mindeste und kön- ne kaum schreiben, klagte er.131 Gelangte das neue Herrschaftswissen sukzessive mit der Installierung von fürstlichen Beamten nach Liechtenstein, so wur- de die Ablösung der alten Ordnung durch die an neu- en ökonomischen Prinzipien orientierte Staatlichkeit ab 1836 noch beschleunigt mit der Amtsübernahme durch Alois II. Stärker noch als sein Vater war er an wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Fra- gen interessiert.132 In der Konsequenz führte dies dazu, dass nicht nur im Land selbst das alte Herkom- men beseitigt und neue Strukturen geschaffen wur- den. Ebenso wesentlich war, dass die Vertreter der Herrschaft mit dem Wiener Verwaltungsapparat ei- nen modernen Staatsapparat im Rücken hatten, der den Zugriff auf die Ressource «Volk» ermöglichte. Im Unterschied zu früheren Herrschern schien im Bild des Fürsten von Liechtenstein nie eine Ahnen- reihe auf, die in die Zeitrechnung des alten Herkom- mens zurückreichte. Eine Tatsache, die die Bevölke- rung wohl richtig erkannt hatte, als sie bei der ersten Huldigung versuchte, die Bewahrung des Status Quo durchzusetzen.133 Rückblickend betrachtet scheint 
indessen gerade diese konsequente Verkörperung von Modernität, letztlich der Bio-Macht, die bemer- kenswerte Kontinuität des Fürstenhauses zu er- klären. Dem Umstand, dass sie von Beginn an eine moderne Staatlichkeit verkörperten, dürften es die Fürsten von Liechtenstein zu verdanken haben, dass sie noch heute in Würden und tatsächlich auch im Amt sind, während andere Fürsten- und Königshäu- ser, die sich den feudalen Traditionen auch im Zeital- ter der Nationalstaaten verpflichtet fühlten, das 20. Jahrhundert im Exil verbrachten. Von Alois II. über Johann IL, Franzi, und Franz Josef II. bis zu Hans- Adam II. verfügten sie über einen flexiblen Körper, der den Anforderungen der politischen Ökonomie entsprach. Und in dieser Gestalt tritt der Regent uns auch in der Gegenwart entgegen: Als Körper, der nicht halb Monarch, halb Demokrat ist, sondern halb Regent, halb Manager. Wenn Fürst Hans-Adam II. über den Staat spricht, dann redet er von der Wirt- schaft. Seine Rede über die Zukunft der Demokratie, die er an der Technischen Universität von Athen hielt, ist ein Plädoyer für eine radikal ökonomisch ausgerichtete Politik.134 Selbst als der Fürst vor dem Landtag 1996 zu seiner Funktion im Land sprach, ar- gumentierte er wirtschaftlich. Als ob der Ersatz sei- nes Hauses primär eine Kostenfrage wäre, räsonier- te er: «Die Beibehaltung der Monarchie, aber mit ei- ner anderen Familie, wäre theoretisch eine Alterna- tive. Eine Monarchie kostet jedoch Geld, und ob der liechtensteinische Steuerzahler bereit ist, diese Ko- sten zu übernehmen, ist fraglich. Noch schwieriger dürfte es sein, jemanden zu finden, der bereit ist, mit seiner Familie diese Kosten auf Dauer zu überneh- men unter Bedingungen, die das Fürstenhaus abge- lehnt hat.» Und fügte die Warnung hinzu, dass die Umwandlung des Fürstentums Liechtenstein in eine Republik und die ersatzlose Entmachtung des Für- stenhauses das Vertrauen ausländischer Investoren in den Finanzplatz schädigen, das Land also noch teurer zu stehen kommen könnten.135 218
	        

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