lieh für die «überhandnehmende Genusssucht» und den daraus resultierenden «sittlichen Verfall» der Jugend, wie der folgende Brief von Landesvikar Jo- hann Baptist Büchel aus dem Jahr 1920 zeigt. «Hohe fürstliche Regierung! In der am 1. d. M. stattgefundenen Konferenz der Pfarrer des Landes wurde Klage geführt wegen der überhandnehmenden Genusssucht und dem daraus hervorgehenden sittlichen Verfall besonders unserer heranwachsenen Jugend beiderlei Geschlechtes, und wurde der Unterzeichnete beauftragt, im Namen aller Seelsorger des Landes an die hohe Regierung die dringende Bitte zu richten, diesem Uebelauch ih- rereseits nach Möglichkeit steuern und den Seelsor- gern hierin an die Hand gehen zu wollen. Ganz besonders wurde Klage geführt über die bis in die Nacht hineindauernden öffentlichen Belusti-DAS
KINO IM WIRTSHAUS «RÖSSLE» IN SCHAAN ANNETTE LINGG Mit Schreiben vom 12. Ju- ni 1920 verbot die Regie- rung allen Sonn- und Werktagsschülern den Be- such der Kinovorführun- gen. Sie reagierte damit auf ein diesbezügliches Ansuchen von Landesvikar Johann Baptist Büchel, der besorgt war «wegen der überhandnehmenden Ge- nusssucht und dem ... sitt- lichen Verfall unserer ... Jugend». Schon bald da- rauf wurde für nachmit- tägliche Filmvorstellungen dieses Verbot wieder gelo- ckert. gungen, Trinkgelagen, Tanzunterhaltungen, Thea- tern u. dgl. woduch nicht nur viel Geld verschwendet sondern, was noch schlimmer ist, die Jugend dem sittlichen Verderben entgegen geführt wird. Es wird daher an die hohe Regierung die dringen- de Bitte gerichtet, mit der Lizenz für solche sitten- verderbende bis in die Nacht hinein dauernde Unter- 23) Bock, Hans-Michael: Bericht der Kommission für «Lebende Photgraphien». Hamburg, 1980 (Faksimile der 1907 erschienenen Erstausgabe), S. 29. 24) Schlüpmann. Heide: Unheimlichkeit des Blicks. Das Drama des frühen deutschen Kinos. Basel und Frankfurt am Main, 1990, S. 189 ff. 25) LLA RE 1922/5844. 26) LLA RE 1917/1170. 27) Siehe Kapitel «Kinder und Kino», S. 162-164. 159