Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

deutschen Gesandtschaft in Bern mit, die «Voraus- setzung», um Frau Hoffmann als Austauschobjekt zu benützen, nämlich dass ihr ein politisches Verge- hen zur Last gelegt werden könne, treffe nicht zu. Er fügte freilich vielsagend bei: «Es wird z. Zt. aber geprüft, ob man die Vorausset- zungen herstellen kann.»s0 Man stellte sie her, im Reichssicherheitshauptamt, bei der Gestapo. SS-Sturmbannführer Günther von der Stelle Eichmann im RSHA übergab im April 1944 dem Auswärtigen Amt einen Bericht zur «Jü- din Hoffmann»: Sie habe ihren Mann veranlasst, die deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben und die liechtensteinische anzunehmen; sie habe sich «im reichsfeindlichen Sinne betätigt. In ihrem Hau- se, das als Zentrum reichsfeindlicher Elemente be- kannt war, trafen sich habsburgische Legitimisten, Juden und sonstige deutsche Emigranten sowie Engländer und Amerikaner»; auch habe sie im Sommer 1943 eine liechtensteini- sche Flagge angefertigt, um sie beim Einmarsch der Amerikaner und Engländer zu hissen; und: «Ausserdem ist sie verdächtig, mit dem ausländi- schen Nachrichtendienst in Verbindung gestanden zu haben»; daher könne einer Rückführung nach Liechtenstein nicht zugestimmt werden. Sie sei zurzeit «in einem Arbeitslager in Reichenau». Es sei beabsichtigt, sie in «Schutzhaft» in einem KZ im Reichsgebiet «unterzubringen».81 «Schutzhaft» bedeutete unbe- schränkte Lagergefangenschaft oder auch Vernich- tung. Das war die fabrizierte politische Anschuldigung. Es mochte zwar durchaus sein, dass in der Hoff- mannschen «Villa Paulina» in Meran vor und nach dem italienischen Umsturz deutsche Emigranten, Juden, Legitimisten, amerikanische und englische Bekannte ein und aus gegangen waren, man sich hierbei privat für einen alliierten Sieg ausgespro- chen hatte, einzelne Gäste Kenntnisse an alliierte Stellen weitergegeben hatten, auch eine blaurote liechtensteinische Fahne bereit lag. Doch Valeska Hoffmann war nicht deswegen verhaftet und depor- tiert worden, sondern allein, weil sie Jüdin war. 
Jetzt, da es nützlich erschien, zog man in Berlin plötzlich politische und Spionage-Vorwürfe heran. Das Auswärtige Amt gab - nun wieder auf der diplomatischen Ebene - an die Schweizer Gesandt- schaft und über sie an die Regierung in Vaduz im Mai 1944 dann jenen weiter oben erwähnten, unde- taillierten Bescheid, Frau Hoffmann habe sich in Italien «reichsfeindlich betätigt» und sei «dringend der Spionage verdächtig», eine Ausreise könne nicht erfolgen. Wo sie sich befand, wurde nicht mit- geteilt.82 Aufschlussreich ist des Auswärtigen Amtes gleich- zeitige interne Äusserung zuhanden von Eichmann und Günther: «Gegen die beabsichtigte Überführung der Genann- ten in ein Konzentrationslager bestehen im Hinblick auf den vorgetragenen Sachverhalt keine Bedenken. Im Auftrag gez. v. Thadden».8''' Der obige Zusatz «Im Auftrag» besagt, dass von Thadden im Auswärtigen Amt die schicksalsschwe- re Äusserung im Auftrag einer übergeordneten Stel- le zuhanden von Eichmann absandte. Jene auftrag- gebende Stelle war wohl Horst Wagner, dieser leite- te die Abteilung «Inland II» (Angelegenheiten der SS und Polizei), unter welcher Eberhard von Thadden die Unterabteilung «Inland II A» (Juden) führte. Der «Auftrag» hätte aber auch von noch höherer Stelle, allenfalls sogar von Staatssekretär von Weizsäcker oder von Ribbentrop kommen können, da es um die Behandlung einer Jüdin eines neutralen Landes ging.84 Dies war Ende April 1944. Zwei Monate später, im Juli 1944, öffnete sich nochmals ein Fenster. Die deutsche Gesandtschaft in Bern schlug dem Auswärtigen Amt nämlich er- neut den Austausch der «liechtensteinischen Staats- angehörigen» vor.85 Das Auswärtige Amt antworte- te, nach eingeholter vorläufiger Auskunft des Reichssicherheitshauptamtes: «Austausch der Agentin Valeska von Hoffmann bei angemessener Gegenleistung möglich.»^ Wieder schien es zu eilen. Nur zwei Tage darauf, am 24. Juli 1944, berichtete der deutsche Gesandte Köcher aus Bern nach Berlin, die Schweizer Regie- rung sei mit dem vereinbarten Agentenaustausch einverstanden, die Häftlinge sollten so bald als mög- 118
	        

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