FÜRST JOHANN IL UND SEINE SAMMLUNG DER WIENER BIEDERMEIERMALEREI / ROSWITHA FEGER Resümee Die Sammlung der Wiener Biedermeiermalerei des Fürsten Johann II. von Liechtenstein setzt sich in ihrer Gesamtheit aus Ölgemälden, Aquarellen, aber auch Ölskizzen und als Skizzen belassenen Aqua- rellen der Hauptmeister des Wiener Biedermeier zusammen. Die ursprüngliche Sammlung lässt sich aufgrund ungenauer Inventarisierung nach dem Tode Jo- hanns IL und durch im Laufe der Zeit getätigte Ver- käufe nicht mehr vollständig rekonstruieren. Den- noch gewährt der Galerie-Führer aus dem Jahr 1927, aufgrund der Beschreibungen einzelner Wer- ke eine Übersicht über die ausgestellten Gemälde in der Galerie Liechtenstein. Die wissenschaftliche Bearbeitung der in der Ga- lerie ausgestellten Werke, die unter anderem von Wilhelm von Bode, Generaldirektor der Königlich Preussischen Museen, vorgenommen wurde, sowie ein geplanter, doch nicht ausgeführter Museums- bau, sprechen für den Anspruch der Galerie als Bil- dungsinstitution Museum. Die eingehende Betrachtung der Werke und ihr Vergleich mit Quellen zeitgenössischer Biedermei- errezeption haben gezeigt, dass Johann IL als Hauptkriterien zur Werkauswahl wissenschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Ein langjähriger Briefwechsel zwischen Bode und Johann IL weist ausserdem auf Bodes Funkti- on als Agent und Berater des Fürsten hin, jedoch nicht auf eine beratende Tätigkeit für die Samm- lung der Biedermeiermalerei. Dies und der von Kindheit an enge Bezug zu Künstlern des Wiener Biedermeier lässt vermuten, dass Fürst Johann die Sammlung nach eigenen Vorstellungen verwirk- licht hatte; zumindest sind keine weiteren Berater bekannt. Merkwürdig ist, dass Johann IL, soweit die er- haltenen Ankaufsdaten diesen Schluss zulassen, fast ausschliesslich selbst erworbene Werke des Wiener Biedermeier ausstellte. Gemälde, die sein Vater Alois II. bei den Malern in Auftrag gegeben hatte, waren in der Galerie Liechtenstein nicht zu sehen - ausgenommen die Ölskizzen zu den grossen Bildnissen von Fürst Alois II. und Fürst Johann II. als Kind - auch wenn es sich oft um Hauptwerke
der Wiener Biedermeierkünstler handelte, die im Familienbesitz waren. Möglicherweise hielten die privaten Inhalte und auch die private Funktion die- ser Werke als Erinnerung und Raumdekoration den Fürsten davon ab, sie in einen wissenschaftli- chen Kontext zu bringen. Beinahe die Hälfte der gezeigten Bilder sind Landschaften. Mit Hilfe des Galerie-Führers von 1927, wird durch die Titelwahl auf das inhaltliche Verständnis einer Darstellung hingewiesen. Die Gattungszuordnung, beispielsweise der Gemälde Gauermanns zu den Landschaften, ist schon durch die Bildrezeption der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts begründet. Bilder der nachbarocken Strömung, die sich an der holländischen Landschaftsmalerei orientierte oder Bilder der realistischen Landschaftsmalerei, die eine neue Sicht auf die Natur eröffnete, waren vor allem durch die Künstler Friedrich Gauermann und Ferdinand Georg Waldmüller vertreten. Dabei weisen die meisten Landschaftsbilder den Bezug zum Heimatland Österreich auf, seien sie nun nach der Natur gemalt oder mit charakteristischen Ele- menten zu einer bekannten Umgebung kompo- niert. Ein Teil der Landschaftsbilder waren Italienbil- der, das heisst italianisierende oder in Italien nach der Natur gemalte Landschaften. Die Sammlung der Italienbilder passt zur besonderen Vorliebe des Fürsten für die italienische Kunst, wie sie sich im 321) Höss. S. 120. 322) Pophanken. S. 208. 323) Harcltwig. Wolfgang: Privatvergnügen oder Staatsaufgabe? In: Sammler. Stifter & Museen. Köln. Weimar. Wien. I 993. S. 89. 3241 Pophanken, S. 72ff. 325) Schack, Adolf Friedrich von: Meine Gemäldesammlung. Stutt- gart 1881 (Pophanken, S. 28); Raczynski. Athanasius Graf von: Gemäldekatalog der Raczynskischen Bildersammlung. Berlin, 1866 (Pophanken, S. 204); den ersten Katalog zur Sammlung Wagener hatte der Maler F. Bonte 1828 verfasst (Pophanken, S. 196). 326) Zu den Museumsplänen des Fürsten vgl. Roswitha Feger: Johann II. (1858-1929) und seine Sammlung der Wiener Biedermei- ermalerei. Magisterarbeit. Unveröffentlichtes Manuskript. München, 1999. S. 19-23. 73