erlaubt, ermöglicht Waldmüller eine sehr realisti- sche Naturwiedergabe. Hermann Beenken erkann- te bereits 1944, dass Waldmüllers Landschaftspor- träts dieser Phase in Schwarzweissabbildungen wie Naturfotografien wirken.143 «Ein photographisches Sehen ist aufsammelnd, nicht mehr gestaltend, auflösend, nicht mehr zu- sammenfassend, es muß das Auge bereit sein, hin- zunehmen, zu registrieren, und die Frage nach dem sinnvollen Zusammenhang darf keine Rolle mehr spielen».144 Mit dieser Analyse des fotografi- schen Sehens beschreibt Beenken Waldmüllers Landschaftsauffassung treffend. Allerdings spielte der sinnvolle Zusammenhang für Waldmüller sehr wohl eine Rolle. Die neuere Waldmüller-Forschung hat ergeben, dass Waldmüllers Realismus sich nur auf die technische, nicht aber auf die formale Na- turwiedergabe bezieht. Feuchtmüller spürte den topographischen Gege- benheiten am Beispiel des «Steinernen Meeres in Zell am See»145 (Abb. 21) nach: Waldmüller malte vom Westufer des Sees den Blick gegen Maishofen. Am Ufer ist das Schloss Prielau mit der Kirche zu sehen. Über dem See erhebt sich die Gebirgskette des Steinernen Meeres. Waldmüller hat sie so her- angeholt, dass sie unmittelbar hinter dem Dorf auf- steigt. In Wirklichkeit zieht sich die Uferebene min- destens 20 Kilometer nach hinten. Die Profile des Persail-, Mitter- und Breithorns sind erst beim Rit- zensee, in der Nähe von Saalfelden, so zu sehen.146 Diese These vertritt auch Martina Flaja.147 Sie be- zweifelt, dass Waldmüller seine Gemälde aus- schliesslich an Ort und Stelle in der Natur malte und damit nur das wiedergab, was er von seinem Standpunkt aus sah. Nach Flaja habe Waldmüller die Komposition sorgfältig ausgewogen und nach dem Festhalten der in Frage kommenden Motive als Bleistiftskizze diese als Ölstudie fixiert. Das im Atelier fertiggestellte Staffeleibild wurde höchstens in grossen Zügen vor dem Motiv angelegt.148 Auf- grund der Tatsache, dass Waldmüller den Fuschl- see auf Karton malte und das Bild zudem unvollen- det blieb, kann man annehmen, dass es sich in die- sem Fall aber um eine, direkt vor der Natur gemal- te Studie handelt.
Auch wenn sich die Forderung nach absolut rea- listischer Wiedergabe immer noch der Komposition beugen musste, gehören diese Landschaften aus den 1840er Jahren zu den Höhepunkten in Wald- müllers Werk. Überblickt man die Waldmüller-Sammlung von Fürst Johann IL, so kann hier die Entwicklung des Künstlers als Landschaftsmaler in den wichtigsten Stationen nachvollzogen werden. Dem Einfluss von Jacob van Ruisdaels Landschaften und dem Studi- um der Niederländer im Allgemeinen konnte sich Waldmüller bis Anfang der 1830er Jahre nicht ent- ziehen. Dies macht Waldmüllers Kopie nach Ruis- dael in der Sammlung Liechtenstein und der Ver- gleich mit der «Ruhenden Jagdgesellschaft» deut- lich. Ab etwa 1832 entwickelt er aber eine eigene Raumauffassung, indem er das Fernliegende fokus- siert und dem Vordergrund nur noch eine «Ram- penfunktion» zuweist. Die ehemals noch vorhande- nen Staffagefigürchen verschwinden.149 Einen wei- teren Höhepunkt innerhalb der Entwicklung der Landschaftsmalerei Waldmüllers bilden die Sizili- enansichten. Sie werden ausführlich im folgenden Kapitel im Zusammenhang mit den italianisieren- den Landschaften besprochen. DAS LICHT ITALIENS Als Kenner und Liebhaber der italienischen Kunst ergänzte Johann II. die Fürstliche Sammlung durch zahlreiche Kunstwerke der italienischen Frühre- 143) Beenken, Hermann: Das neunzehnte Jahrhundert in der deutschen Kunst. München, 1944, S. 140. - Im Folgenden zitiert als: Beenken. Vgl. Baumstark 1983. S. 99. Abb. 36. 144) Beenken, S. 142. 145) 1837: Ol auf Holz, 26 x 31 cm. 146) Feuchtmüller 1996. S. 113, WV 573. 147) Siehe dazu Haja, Martina: «Nach der Natur gemalt ...». In: Belvedere (1996) Sonderheft 1 «Ferdinand Georg Waldmüller», S. 1 16-131. 148) Ebenda. S. 128. 149) Ebenda, S. 125. 34