tur. In der Galerie Liechtenstein war diese Richtung der Landschaftsmalerei insbesondere durch Ferdi- nand Georg Waldmüller sowie durch Rudolf von Alt vertreten. Als erster schlug Johann Christian Brand diesen Weg ein. Daraus wird deutlich, was für eine grosse Bedeutung Brand für die Entwicklung der Wiener Biedermeierlandschaft hatte. Schon im 18. Jahr- hundert hatte er die Umgebung Wiens bewandert und topographisch genau wiedergegeben. Seine Schüler folgten ihm. Neben der Akademie führten aber auch die im- mer beliebter werdenden Ansichtsserien - topogra- phische Aufnahmen der österreichischen Land- schaften - , die seit 1780 von verschiedenen Verle- gern in Wien herausgegeben wurden, zur Wieder- entdeckung der vertrauten Umgebung von Wien und der Natur im allgemeinen.123 Zu Anfang des 19. Jahrhunderts richteten die Künstler ihr Interesse besonders auf die Umgebung von Salzburg, die sie in weiten Wanderungen er- kundeten und malten. Als erste Künstler entdeck- ten die deutschen Romantiker die Landschaft im Salzkammergut, bis anhin nur Durchgangsort auf ihren Reisen nach Rom, und blieben.124 1811 malte hier Carl Friedrich Schinkel (1781-1841), 1815 zo- gen Carl Philipp Fohr (1795-1818) und Ferdinand Olivier (1785-1841) in die Salzburger Landschaft. Olivier gilt heute als ihr eigentlicher Entdecker.125 Im Gegensatz zur subjektiven Landschaftsauf- fassung der Romantiker erfassten die Biedermeier- maler viele Jahre später die landschaftlichen Schönheiten in objektiverer Betrachtungsweise.126 Aus den Reihen jener Vedutenmaler kommt auch Rudolf von Alt, der nach Gauermann am be- sten vertretene Künstler in der Galerie Liechten- stein. Als Schüler seines Vaters Jakob Alt (1789- 1872) begleitete er diesen schon mit dreizehn Jah- ren auf seinen Reisen und half ihm bei der Aus- führung seines Auftrages, dem lithographischen Werk «Donau-Ansichten vom Ursprung bis zum Ausflusse ins Meer», mit dem Jakob Alt von 1818 bis 1826 betraut war.127 15 Jahre später arbeiteten Vater und Sohn Alt noch immer zusammen. Neuerlich ging es darum,
topographische Ansichten zu malen, diesmal für das Sammelwerk «Pittoreskes Österreich».128 Im Zuge dieses Auftrages unternahmen die Alts im Jahr 1840 eine Reise nach Dalmatien, das damals noch Teil von Österreich war. Etwa eine Woche hielten sich Jakob und Rudolf von Alt in Ragusa, dem heutigen Dubrovnik, auf. Rudolf war überwäl- tigt von der Schönheit dieser Stadt.129 Dort entstand eines der beiden einzigen Ölgemälde, die der Fürst damals von Rudolf von Alt besass: «Die Grabruine von Ragusa»180 (Abb. 18). Der Künstler hat es nach einem Aquarell, das Alt von dieser Reise mitge- bracht hatte, gemalt.131 Das Gemälde gibt die südliche Landschaft der Adriaküste wieder. An einem Abhang, durch Fels- brocken terrassenartig geebnet, steht die Ruine ei- ner Grabkapelle. Davor wuchern Agaven und klei- ne Bäumchen, die typische karge Vegetation des Südens. Das Kolorit des leuchtendblauen Himmels mit dem Kontrast zum warmen Sandstein der Ka- pelle und dem braunen verdorrten Gras erinnert an die Farbigkeit der Aquarelle von Alt. Er verwen- dete einen sehr nassen Pinsel, mit dem er die Far- be beinahe tröpfelnd auftrug. Des Weiteren ver- suchte Rudolf von Alt, das Leichte und Skizzenhaf- te des Aquarells im Ölbild herzustellen, indem er die Bildränder dünn verwischte.132 123) Frodl 1987, S. 32. 1780 beauftragte der Verlag Artaria die Künstler Karl Schütz, Johann Ziegler und Laurenz Janscha mit dem Ansichtenwerk «Sammlung von ... Aussichten der Residenzstadt Wien von ihren Vorstädten und einigen umliegenden Oertern» (Ebenda). 124) Ebenda. 125) Feuchtmüller 1987, S. 8. 126) Frodl 1987, S. 32 f. 127) Koschatzky 1989. S. 10. 128) Ebenda. S. 155. (29) Baumstark 1983, S. 66. 1.30) Öl auf Leinwand. 66 x 52 cm. 131) Das Aquarell befindet sich heute in der Staatlichen Graphi- schen Sammlung in München; es entstand am 2. Oktober 1840 (Baumstark 1983, S. 66). 132) Ebenda. 30