Schon hier und bis an den Schluss der Belegliste heisst es ganz überwiegend
(artikellos) «in Ga- mander». Der heutige Gebrauch des Namens als ei- nes
Neutrums {«das Gamander, ins G., im G., vom G») ist also zweifellos ganz jung und gehört damit nun gewiss nicht zu den wertvollsten Traditionen, obgleich gerade um solche Dinge nicht selten Dis- kussionen entbrennen und oft - nicht nur in diesem Fall - genau das historisch nachweisbar Falsche für «einzig richtig» gehalten wird. Zusammen mit unzähligen anderen einheimischen vordeutschen Namen hat auch
unser Gamander innerhalb des letzten Jahrhunderts - einer seltsam durchgreifen- den Modewelle folgend - diesen Wechsel im gram- matischen Gebrauch durchgemacht. Aus der Nähe betrachtet, entpuppt sich dieser Wechsel freilich als Schritt in Richtung einer engeren grammatischen Integration dieser ursprünglich fremden Elemente in das Deutsche: Mittels der Annahme von gram- matischem Geschlecht und Artikel (und auch durch die mundartlich fixierte Bevorzugung bestimmter Ortspräpositionen) werden diese Namen syntak- tisch fester in die deutsche Mundart eingebunden. Dabei bildet sich offensichtlich in der Regel eine dominierende Richtung heraus, immer aber blei- ben auch Abweichungen möglich. Auch in unserem Fall finden sich denn (wenig- stens in schriftlicher Form) einige Besonderheiten: *1618 im Gamander neben in G.\ gelegentlich scheint der Name in der Mehrzahl verwendet zu sein
(1693 in Gamandern-, *1700 gegen den Ga- mandra); eine Feminin- (oder Plural-?)Form liegt vor in ~
1707 Die Gamandra-, klar als Feminin Sin- gular erscheint
1720 in der oberen Cammandra, wohl auch
1723 an die obere Gamandra und 1780 die alt und neue Gammandra. Sonderbar verfrem- det in der Endung wirkt
1798 Ob Gamandero. Namentlich in unserem Jahrhundert hat sich diese erwähnte grammatische Integrationstendenz massiv durchgesetzt.1^ Was die eigentliche Namensform anbelangt, so scheint von einer
Form Gamander auszugehen; im Lichte des Nebeneinander
von Gwoder und Gwo- dera (bzw. Quader I Quadro) könnte freilich grundsätzlich auch der Femininform
auf -era der
Vorrang gegeben werden (also mit sekundärem Verlust des
auslautenden -a). Doch kann diese Fra- ge nur bei Kenntnis der Namensherkunft sicher entschieden werden. Für die in den historischen Belegen hier (und anderswo) vorkommenden «Pluralbildungen» (vgl. *1700 gegen den Gamandra) reicht als Begründung wohl ein von mir früher gemachter Hinweis,14 wo- nach - etwa in Fällen
wie Epariol, i dan Epariöler (Triesen)
oder Iradug, i dan Iraduga (Balzers) - eine Aufteilung dieser Gebiete in mehrere Nut- zungseinheiten wohl zu dieser «Vermehrung» An- lass gab - wo nicht bloss ein Hang zu spielerischer Umgestaltung in familiär-vertrautem Umgang sol- che Formen verursachte. BISHERIGE DEUTUNGEN DES NAMENS «GAMANDER» Eugen Nipp15 beschreitet mit seinem Deutungsvor- schlag einen bekannten Pfad. Er geht aus von der starken Gruppe rätoromanischer Namen (aller- dings Familiennamen!), die vom Wohnort bezie- hungsweise -haus einer Person ausgehen und das rätoromanische
Substantiv ca(sa) <LIaus> mit einem Personennamen verbinden: als Beispiel seien ge- nannt die bündnerischen
Familiennamen Capaul (< ca + Paul), Cadisch (< ca + Disch, verdeutscht Tischhauserl), Capeder (ca + Peder), Cahenzli (< ca + Hänsli), oder, nach demselben Prinzip,
etwa Ca- hannes, Cajochen, Caßisch, Cabernard, Cabalzar, Cadonau oder das urkundlich für Triesen bezeugte Cahaini. Unser Gamander nun soll gemäss Nipp nach dieser Bildungsweise
als Ca + Mander aufge- gliedert werden können:
in Mander sieht Nipp, grundsätzlich nicht unmöglich, den griechischen Vornamen Meander. Die Deutung ist rein formal in Ordnung und wirkt in der Tat auf den ersten Blick bestechend; der Umstand allein, dass wir ja
in Ga- mander einen Orts- und nicht einen Personenna- men vor uns haben, würde jedenfalls nicht ent- scheidend gegen ihn sprechen, zeigen doch ellipti- sche Bildungen
wie im Hans Marti (Triesen), dass 202