Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

«LANDTS BRAUCH, ODER ERBRECHT» KARIN SCHAMBERGER-ROGL «Disem greul und todten gefräss aber zu begeg- nen, schaffen wür hirmit ernstlich bey 10 pfund Pfennig einen jeden verbrechenden und der sich darbey befinden wurde, unnachlässlich zu entrich- ten ...»."••• Bei Kirchweihfesten wird besonders beklagt, dass einige «unverschambte gesellen» den Feiertag dazu benutzen, sich bei Verwandten den Bauch vollzuschlagen und diesen dadurch hohe Kosten zu verursachen. Auch werden die Gastgeber angewie- sen, ihren Gästen nur vier Gerichte zu servieren, gefolgt von Nachspeisen. Anschliessend an einen nachmittäglichen Spaziergang solle höchstens noch ein Trunk sowie die übrig gebliebenen Spei- sen serviert werden. Danach seien die Gäste nach Hause zu schicken. Das Essen sollte nicht wichtiger sein als der Gottesdienst, deshalb durfte vor dessen Ende niemandem Speis oder Trank verabreicht werden.293 Ein «übermässig fressen und saufen» kam auch in der Fastnacht vor. Dieses sollte ebenfalls einge- schränkt werden.294 Zu diesen Verordnungen zur Vermeidung von Luxus gehört auch die Kleiderordnung. Kleiderord- nungen reichen in Frankreich, Spanien und Italien bis in das 13. Jahrhundert zurück. Sie sollten die Untertanen vor Unkeuschheit schützen, aber auch den wirtschaftlichen Wohlstand bewahren.295 Be- stimmte Kleidungsstücke oder Materialien wurden schlichtweg verboten. Vor allem ausländische Klei- dung wurde untersagt, um die einheimischen Indu- strien zu schützen.296 Dazu gehören Samt, Atlas, Seide sowie englisches oder niederländisches Tuch. Der Landsbrauch beruft sich auch wiederum auf ein gottgefälliges Leben, wenn er beklagt, dass «das junge gesündl» durch ihren Überfluss in der Kleidung hoffärtig und leichtfertig wird und da- durch Gottes Zorn hervorruft.297 Hier überschnei- den sich also konservative Gedanken, die das Be- stehende und Überlieferte vor dem Untergang be- wahren wollten, mit rein wirtschaftlichen Gesichts- punkten.298 Zusätzlich sollten mit einer Kleiderordnung auch die Stände voneinander abgegrenzt werden.299 
Nach 1500 findet sich kaum mehr eine Kleiderord- nung ohne diese Intention. Die für die Landshuter Bürger entworfene Kleiderordnung wurde bei- spielsweise auf Betreiben des Landshuter Hofadels erlassen, um die Bürger der Residenzstadt in Schranken zu halten.300 Auch in der vorliegenden Polizeiordnung wird auf die Notwendigkeit des Standesunterschieds hingewiesen: «Disem verderben- und übelstandt abzugegnen setzen, ordnen und wollen wür, daß insgemein ... ein jede persohn sich ihrem stand gemäss zimblich und überflüssig, noch unordentlich, wie bishero in disen landten üblich gewesen und herkommen be- kleiden sollen»™1 Bauern und LIandwerker dürfen keine Federn tra- gen. Soldaten jedoch, welche sich durch besondere Leistungen ausgezeichnet haben, erhalten einige Zugeständnisse. 283) Der Landsbrauch zählt auf: Hunger. Krieg, Misswuchs, Krank- heit, Teuerungen; vgl. LB fol. 67v. 284) Vgl. Lieberich, Heinrich: Die Anfange der Polizeigesetzgebung des Herzogtums Bayern. In: Festschrift für Max Spindler. München, 1969. S. 350; im folgenden zitiert als: Lieberich, Polizeigesetzge- bung. 285) LB fol. 66v. 286) Ebenda, fol. 67r und 67v. 287) Ebenda, fol. 69r. 288) Ebenda, fol. 69v. 289) Ebenda, fol. 70r. 290) Lieberich, Anfänge der Polizeigesetzgebung, S. 361. 291) Vgl. Hartz, Gesetzgebung des Reichs, S. 13. 292) LB fol. 85r. 293) Ebenda, fol. 86v. 294) Ebenda, fol. 88r. 295) Lieberich, Anfänge der Polizeigesetzgebung, S. 363. 296) Schulze, Polizeigesetzgebung. S. 28. 297) LB fol. 89r. 298) Hartz, Gesetzgebung des Reichs. S. 13. 299) Schulze, Polizeigesetzgebung. S. 25 ff. 300) Lieberich, Anfänge der Polizeigesetzgebung, S. 364. 301) LB fol. 89v. 61
	        

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