Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

deutungen. Leider enthalten die Quellen selbst kei- ne Definition von Polizei,266 und so war eine inten- sive Beschäftigung mit denjenigen Quellen nötig, die sich selbst als «Polizeiordnung» bezeichneten, um die Bedeutung des Begriffs in der jeweiligen Zeit zu erschliessen. Namhafte Juristen und Histo- riker haben bereits einschlägige Werke herausge- geben. Hier eine kurze Zusammenfassung ihrer Er- gebnisse. Wortmässig stammt «Polizei» aus dem Griechi- schen und gelangte, nachdem es in das Lateinische übernommen worden war, über die burgundischen Kanzleien in die Kanzleisprache des Deutschen Reichs.267 In den Gesetzen tauchte das Wort erst- mals im 15. Jahrhundert auf. Franz-Ludwig Kne- meyer findet die ersten Belege für den Gebrauch des Wortes «Polizei» in Rechtssätzen aus den Jah- ren 1464, 1476, 1488, 1492 und 1495.268 Bedeutungsmässig müssen wir grundsätzlich zwischen mehreren Möglichkeiten unterscheiden. Bis ins 18. Jahrhundert wurde das Wort «Polizei» (Pollicey, Pollucy, Pollicei, Policey, ...) als ein «Zu- stand guter Ordnung im Gemeinwesen» verstan- den.269 Dort, wo sich die Bürger ordentlich, züchtig, ge- sittet und ehrbar verhielten, dort bestand Polizei oder gute Polizei. Beachtenswert ist, dass gute Poli- zei nicht durch Massnahmen staatlicher Stellen er- reicht werden sollte, sondern durch das ordnungs- gemässe Betragen der Bürger.270 Es gab auch zunächst keine Vollzugsbeamten, die auf die Ein- haltung der Polizeigesetze achten sollten; diese Aufgabe fiel, wie es auch in der Grafschaft Vaduz der Fall war, den Pfarrern und den Landammän- nern zu: «Als erstlich sollen alle unsere gesessenen Or- dens leuth, pfarrherren, caplän, frühe messer und gemeiniglich alle priester, wer die seyn, ... das volck ßeissig mahnen und ermahnen und abweh- ren, daß sie die gräuliche gottes lästerung und bey dem nahmen gottes ... zu schwören, zu fluchen oder verächtlich davon zu reden sich gäntzlich ent- halten ,..».271 «... so ist hiemit unser ernstlicher wil und mey- nung, daß alle unsere ambtleuth, des gleichen 
waiblen, geschworne, auf solche und dergleichen verthräuliche haußhalter, verschwendter und pro- digi ihr sonderbahr und fleißig aufmerkhen haben, und da sie einen erfahren, der anfange, seines und seines weibs güther also leichtfertiger weis zu ver- schwendten, denselben alsbalden für das ambt bringen ...».272 Neben dieser Verwendung des Wortes Polizei als ein Zustand guter Ordnung bedeutete es in man- chen Quellen ohne die Zufügung eines zweiten Wortes auch ein Gesetz, welches zum Ziel hat, ei- nen Zustand guter Ordnung des Gemeinwesens herzustellen oder zu erhalten.273 Es handelt sich hierbei um eine Kürzung des Wortes «Polizeiord- nung». Im Jahr 1532 erinnert beispielsweise Kai- ser Karl V. an die 1530 aufgerichtete «Reformation und Ordnung guter Polizei» und gestattet den Stän- den, die «Polizei und Ordnung» zu bessern, falls sie Mängel fänden. Hier bestand also ein Nebeneinan- der von zwei Bedeutungen ohne eine begriffliche Unterscheidung. Im 18. Jahrhundert setzte allmählich ein Be- griffswandel ein. Zu dieser Zeit wurden Beamte eingesetzt, die den Titel Polizeidirektor, Polizei- knecht usw. trugen. Bald verband man mit dem Be- griff «Polizei» eine obrigkeitliche Aktivität zur Her- stellung guter Polizei und schliesslich das Polizeior- gan selbst.274 So wenig wie das Wort «Polizei» in den Gesetzen definiert ist, so wenig finden wir auch eine Festle- gung auf bestimmte Gebiete, die zu den Polizeisa- chen gehören. Es werden nur verschiedene rege- lungsbedürftige Bereiche des gemeinschaftlichen Lebens aufgezählt. Im Jahr 1759 führte Johann Heinrich Gottlob von Justi auf, was seiner Meinung nach zu den Auf- gaben der Polizei gehörte: «Zu dem Ende muss die Landes-Policey bestän- dig auf diejenigen Quellen eine große Aufmerksam- keit haben, wodurch die Landes-Produckte hervor- gebracht werden».275 Dabei bezieht er sich im besonderen auf Landwirt- schaft, Wald- und Forstwesen, Manufakturen und 58
	        

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