Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

durch Heirat mit der Vorarlberger Scharfrichterfa- milie der Vollmar. Als zweite Vaduzer Scharfrichterfamilie ist die Familie ßurkhart bezeugt. Im Jahr 1798 folgte Xa- ver Burkhart seinem verstorbenen Vater Michael Burkhart im Amte des Scharfrichters nach.248 POLIZEIORDNUNG Polizeiordnungen sind Verordnungen der Landes- herren, welche die allgemeine Wohlfahrt und öf- fentliche Interessen betreffen. Sie sind die Haupt- form der landesherrlichen Gesetzgebung und blei- ben es bis ins 18. Jahrhundert.249 Die vorrangige Intention der Gesetzgeber war die Erhaltung der alten Sitten gegenüber neuen Einflüssen mit Beru- fung auf das Gemeinwohl. Natürlich stehen Polizei- ordnungen auch im Zusammenhang mit der Aus- weitung der landesherrlichen Macht. Ein Hauptanliegen der Landesherren war es, mit den Polizeigesetzen eine Erhaltung und Stabili- sierung der alten Zustände zu erreichen. Gerade in einer Zeit, in der das mittelalterliche Ordnungsge- füge im Auflösen begriffen war, erhielten solche Gesetze eine wichtige Bedeutung.250 Die ersten kleineren Landesordnungen mit poli- zeirechtlichen Bestimmungen entstanden gegen Ende des Mittelalters.251 Die «gute Polizei», also die sittliche Ordnung, war durch neu aufgetretene Missstände oder durch Missbrauch gefährdet.252 Diese Tatsache nahmen die Landesherren zum An- lass, Vorschriften zu erlassen, welche die überlie- ferten Zustände wahren oder aber wiederherstel- len sollten. Anklänge an die späteren Polizeiordnungen ent- hält bereits jenes «Gesetz», das Erzbischof Fried- rich III. 1328 für sein Herrschaftsgebiet, das wer- dende Land Salzburg, erliess. Es enthält Vorschrif- ten gegen Wucher, Fürkauf und Würfelspiel sowie über den Grundstückserwerb und die Morgenga- be.253 1446 und 1482 erschienen Polizeiordnungen in Sachsen, 1474 und 1491 im Flerzogtum Bayern- Landshut und 1495 im Herzogtum Württemberg sowie in der Markgrafschaft Baden.254 
Seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts wurde die Polizeigesetzgebung auch Sache des Reichs. Als Teil der Reichsgesetzgebung entstanden im 16. Jahr- hundert nach einigen dem Umfang nach geringe- ren Ordnungen die Reichspolizeiordnungen. Gegen- stände dieser Reichspolizeiordnungen, neben der Carolina (Peinliche Gerichtsordnung Karls V. aus dem Jahr 1532) die letzten bedeutenden Reichsge- setze, sind die öffentliche gute Ordnung (Kleider, Hochzeiten, Spielleute, Bettler, Ehebruch, Gottesläs- terung) und Wirtschafts- und Arbeitsrecht (Masse, Gewichte, Handel, Preise, Löhne).255 Sie nahmen keine ausschliessliche Geltungskraft für sich in An- spruch, sondern setzten eine Ergänzung durch Lan- desrecht voraus. Die Reichsstände wurden für be- fugt erklärt, die 
Reichspolizeiordnung «nach eines jeden Landes Gelegenheit einzuziehen, zu verringe- ren und zu maßigen, keineswegs aber zu erhöhen und zu mehren».256 Viele Landes- und Stadtordnun- gen lehnten sich inhaltlich und der Form nach an die Reichspolizeiordnungen an,257 entwickelten je- doch oft regionale Besonderheiten, die mit ihren speziellen Notwendigkeiten zusammenhingen. Die staatlichen Regelungen wurden in einem bis dahin noch nicht üblichen Mass ausgeweitet. Um sicher zu gehen, dass ihre Verordnung nicht im Widerspruch zum Reichsgesetz stand, liessen die Landesherren ihre Gesetze mitunter vom Kai- ser bestätigen.258 Es gibt jedoch auch Polizeiord- nungen, die gänzlich unabhängig zu den Reichspo- lizeiordnungen entstanden sind, wie zum Beispiel die «Policey und Ordnung» für Schlesien.259 Des- halb ist es unmöglich, allein durch die Bezeichnung «Polizeiordnung» auf einen bestimmten Inhalt zu schliessen. Bei der Erlassung der Reichspolizeiordnungen war der Kaiser, wie auch sonst bei wichtigen Reichs- gesetzen, an die Zustimmung der Reichsstände ge- bunden.260 Ohne ihre Unterstützung konnte der er- strebte polizeiliche Zustand nicht verwirklicht wer- den. Die Befehle in den Reichspolizeigesetzen rich- teten sich immer an die «Obrigkeit», die dabei aber nicht näher definiert wurde.261 Ihr wurde die Aus- führung übertragen. Gemeint waren damit die welt- lichen und geistlichen Fürsten sowie die reichsun- 54
	        

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