Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

Fall müsste aber die Zahl der Beisitzer auf 24 er- höht werden. Die Schranken, die die Zuschauer von der Dingstätte trennen, sind auf dem Bild nicht zu sehen. Die Zuschauer sollten auch nicht gegen- über dem Gericht stehen, sondern rundherum (da- her der Name: «Umbstand»). Links auf Seite 12 be- findet sich daher eine verbesserte schematische Darstellung einer solchen Gerichtssitzung. Der Ablauf des Malefizgerichts gemäss liechten- steinischem Landsbrauch Die Prozessordnung des Malefizgerichts ist in vier Landsbräuchen enthalten, wobei die ausführlichste aus dem Jahr 1682 stammt und von Schädler be- reits ediert wurde. Der Wortlaut ist im wesentli- chen gleich, es fehlen jedoch oft Teile oder die Rei- henfolge der einzelnen Abschnitte wird umgekehrt. Dies macht es schwierig, den Ablauf des Malefizge- richts genau zu rekonstruieren. Eine Richtlinie bie- tet die Malefizgerichtsordnung aus der Reichsherr- schaft Blumenegg, die aus dem 17. Jahrhundert stammt, als Blumenegg noch gemeinsam mit Vaduz und Schellenberg verwaltet wurde.215 Sie ist aus- führlicher als die Gerichtsordnungen, die in den liechtensteinischen Landsbräuchen erhalten sind. Zunächst fragte der Landammann die Beisitzer nach der Rechtmässigkeit der Zusammenkunft.216 Dieses Frage-Antwort-System war ein sehr ge- bräuchliches Element aller Gerichtssitzungen und diente zur Feststellung der Legitimität.217 Auf diese sechs Fragen antworteten die Beisitzer höchst- wahrscheinlich gemeinsam. In der Blumenegger Gerichtsordnung findet sich nach jeder Frage die Formel: «Des gefragten Antwort».218 Es könnte da- her auch möglich sein, dass ein Beisitzer stellver- tretend für alle anderen geantwortet hat. Bei den Gerichtstagen in Salzburg und Niederösterreich wurde aus den Reihen der Beisitzer ein «Vor- sprech» bestimmt, der unter anderem das Urteil verlas.219 Diese Funktion erfüllte aber in Liechten- stein der Landschreiber. Die erste Frage betraf die Tagzeit: Ob der Tag nicht zu früh, zu spät, zu heilig oder zu schlecht sei, dass er den Stab aufheben 
und richten könne. Bei diesen Worten nahm der Landammann den Richterstab vom Tisch auf, wo ihn der Gerichtsdiener vorher hingelegt hatte. Eine weitere Möglichkeit wäre die direkte Übergabe des Stabes.220 Nun erst hatte er alle Befugnisse als Richter und die Rechtswirksamkeit seiner Hand- lungen war gegeben.221 Weiters fragte der Landammann, ob genügend Richter anwesend seien und ob alle ehrlich seien, ob er mit seinen Beisitzern aufstehen könne, um dem heiligen Sakrament Ehre zu erweisen und ob er dann immer noch richten könne, ob man die Verhandlung unterbrechen könne, wenn Feind, Feuer oder Wassersnot dazwischenkämen und was geschähe, wenn er krank würde. Auf diese Frage antworteten die Beisitzer, dass er an seiner Statt je- mandem den Stab übergeben könne. Falls er gene- se, könne er weiterrichten. Der Richterstab durfte während der Gerichtsverhandlung nicht niederge- legt werden, da ansonsten die Verhandlung als be- endet anzusehen gewesen wäre.222 Als letztes frag- te der Landammann, ob man unter ein Obdach rücken könne, wenn ein Unwetter käme. Die Sorge galt dabei dem Gerichtsbuch. Hier stellt sich die Frage, ob dies ein Hinweis darauf ist, dass die Ge- richtsverhandlung im 17. Jahrhundert tatsächlich noch unter freiem Himmel stattgefunden hat oder ob diese Formel nur aus Tradition auch im Ge- richtshaus beibehalten wurde.223 Danach fragte der Landammann einen Beisitzer, ob er zwei «Biedermänner» hinzuziehen könnte, damit das 
Recht «desto ordentlicher aufrecht und redlich an sein Statt gange». Bei diesen Bieder- männern handelte es sich um die Fürsprecher, die für den Kläger und den Beklagten die gerichtsübli- chen Formeln sprachen. Es ist möglich, dass diese aus dem Kreis der Beisitzer genommen wurden. Nicht ganz klar ist dann allerdings eine Formel in der Blumenegger Gerichtsordnung, die eher darauf hinweist, dass die Biedermänner nicht aus dem Kreis der Beisitzer 
kommen: «zwen redliche erli- che biderman auserhalb des rechten».224 Nicht im Landsbrauch verzeichnet ist der Text, mit dem sowohl der Landammann als auch die Bei- sitzer und der Landschreiber vereidigt wurden. 50
	        

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