Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

wenn Deszendenten oder Aszendenten übergangen wurden, war das Testament ungültig. Das gilt auch für die nachträgliche Geburt eines ehelichen Kin- des, wie im gemeinen Recht vorgesehen.157 Der Landsbrauch enthält einige Beispiele von Testamenten, in denen sich Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzten. Solche gemeinschaftlichen Te- stamente waren seit dem 14. Jahrhundert üb- lich.158 Sie sind zwar mit den Prinzipien des römi- schen Rechts nicht unvereinbar, werden dort aber nicht speziell geregelt. Hier liegt die Form eines so- genannten «wechselseitigen» Testaments vor. Diese eben beschriebene Erbordnung blieb bis zum Jahr 1809 in Kraft. Am 1. Jänner dieses Jah- res erliess Fürst Johann Josef von Liechtenstein eine neue Erbfolgs- und Verlassenschaftsordnung, mit der er auch den Landsbrauch vollinhaltlich auf- hob.159 DAS SCHULD- UND PFANDRECHT ODER DAS SACHENRECHT Im Bereich des Schuld- und Sachenrechts behan- delt der Landsbrauch nur in kurzer Form die Art und Weise des Schuldentriebs. Hatte ein Gläubiger gegen einen Schuldner eine Forderung einzubrin- gen, so wurde in jedem Fall der Gerichtsweibel150 eingeschaltet, der die Zahlungsaufforderung an den Schuldner überbrachte. Die Gebühr für den Gerichtsweibel hatte der Gläubiger zu erlegen. Der Schuldner war zur Auskunft über seine Schuld ver- pflichtet. Eine Pfändung ohne amtliche Mitwirkung war nicht möglich. Dies bedeutete aber nicht, dass die richterliche Person pfändete, ihre Anwesenheit Hess nur die Erlaubnis des Gerichts zur Pfändung sichtbar werden.161 In einzelnen Rechtsgebieten war es jedoch bis ins Spätmittelalter zugelassen, dass der Gläubiger ohne Zuziehung des Gerichts die Pfändung unternahm.162 Nach erfolgter Zahlungsaufforderung hatte der Schuldner einen Aufschub von vierzehn Tagen. Dieses Verfahren wird im Saxer Landsbrauch als «lange Gant» bezeichnet.163 Am 15. Tag nahm der Weibel ein Pfand. War das Pfand mehr als zehn 
Pfund wert, wartete man noch sechs Tage, bis es zur Pfändung kam. Die Pfändung war gleichbedeu- tend mit der Ankündigung der Schätzung, die den eigentlichen Pfändungsakt ausmachte.164 Die Schät- zung fand meist im Haus des Schuldners durch den Weibel statt.165 Wo das Pfand bis zur Schätzung aufbewahrt wurde, geht aus dem Landsbrauch nicht hervor, es kam aber seit dem hohen Mittelal- ter sicherlich nicht mehr zum Gläubiger.166 Erst wenn der Schuldner nach acht Tagen das Pfand nicht auslösen konnte, war der Gläubiger er- mächtigt, über das Pfand zu 
verfügen «und seinen frommen damit zu schaffen gewalt haben».167 Das Pfand verfiel in das Eigentum des Gläubigers, er konnte es behalten und gebrauchen (Pfandver- fall).168 Rechtshistorisch jünger ist der Pfandver- kauf; der Gläubiger war ermächtigt, das Pfand bei- spielsweise auf der Gant zu versteigern. Unter «Gant» versteht man den im Rahmen der Zwangs- vollstreckung vorgenommenen öffentlichen Pfand- verkauf.169 Manchmal war es auch Sache des Wei- bels oder des Gerichts, den Verkauf des Pfands vor- zunehmen.170 Üblicherweise wurde das Pfand an den Meistbietenden verkauft. Und um dies zu ga- rantieren, führte man den Verkauf durch öffentli- che Personen ein. Auch die Beschaffenheit des Pfands war im Landsbrauch geregelt. Man unterschied auch hier zwischen «liegendem Gut» und «Fahrnis». Als Fahrnis galten Sachen, die ohne Veränderung ihres Wesens von Ort zu Ort bewegt werden konnten.171 Hatte jemand eine Schuld zu bezahlen, so musste er die doppelte Summe172 als Pfand auslegen, und zwar 
musste «die beste Pfand» gegeben wer- den.173 In mittelalterlichen Quellen wird oft er- wähnt, dass dem Gläubiger aüein die Pfandwahl zustand und der Schuldner nicht das Bestim- mungsrecht hatte.174 Im vorliegenden Landsbrauch ist zumindest die Reihenfolge der zu pfändenden Gegenstände vorgegeben. Zuerst wurde die Fahr- nis im Haus selbst gepfändet. Reichte sie nicht aus, so wurde das Vieh gepfändet. Erst wenn auch Heu und Stroh im Stall nicht ausreichend war, durfte liegendes Gut angegriffen werden.175 Es lag jedoch nicht in der Macht des Weibels, liegendes Gut zu 42
	        

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