Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

«LANDTS BRAUCH, ODER ERBRECHT» KARIN SCHAMBERGER-ROGL ten. Bei Testamenten, die ohne das Gericht aufge- stellt wurden, mussten vier oder fünf unparteiische Zeugen dazugebeten werden. Wurde der Kirche et- was vermacht, so sollten ein Priester und zwei Zeu- gen anwesend sein. Auch Wohltätern konnte ein Teil des Vermögens vermacht werden. Dies erfor- derte die Anwesenheit von mindestens zwei Ge- richtspersonen und drei anderen Zeugen. Es musste immer festgestellt werden, ob der Te- stator sein Testament unbeeinflusst aufgerichtet hatte. Letztwillige Verfügungen, die unter unzuläs- siger Beeinflussung des Testators entstanden wa- ren, waren ungültig. Als Ausnahmen galten Testa- mente, die ausserhalb des Landes, beispielsweise von Soldaten verfasst wurden. Dafür genügten be- reits zwei Zeugen. Wurde das Land von einer Epi- demie heimgesucht, so waren ebenfalls nur zwei oder drei Zeugen vonnöten, um ein gültiges Testa- ment aufzurichten. Testamente konnten auch ungültig werden. Je- des spätere Testament setzte nach römischen Recht ein früheres ausser Kraft.156 Nachträgliche Änderungen konnten jederzeit eingefügt werden, es musste nur die Form gewahrt bleiben. Alle vorher erwähnten Fälle über Erb- und Te- stierunfähigkeit kamen hier zur Anwendung. Auch 
fol. 19v und 20r: Ein wich- tiges Kapitel im Erbrecht bilden die Fallbeispiele, bei denen Geschwister (und deren Kinder) erbbe- rechtigt sind. Das hier gezeigte Beispiel schildert den Fall, in welchem ein Bruder sowie die Kinder der verstorbenen Schwe- ster den Besitz des eben- falls verstorbenen zweiten Bruders erben (Seite 38/39). 
fol. 20v: Beim darauf folgenden Beispiel wird das Gut der verstorbenen Schwester auf ihre Nichten und Neffen vererbt, da die übrigen Geschwister eben- falls verstorben sind (Seite 40). fol. 21r: In einem weiteren Beispiel erben die zwölf Nichten und Neffen den Besitz des verstorbenen Onkels vollständig, da sämtliche Geschwister des Onkels ebenfalls tot sind (Seite 41). 148J Vgl. Schmelzeisen, Polizeiordnungen. S. 156. Diese deutsch- rechtliche Verordnung entsprach nicht mehr der neuzeitlichen Auflassung. Auch im römischen Recht wurde die körperliche Ge- sundheit nicht gefordert. 149) LB fol. 43v. 150) Vgl. Schmelzeisen, Polizeiordnungen. S. 158. 151) Ebenda, S. 174. Die Amtspersonen, die bei der Testamentser- richtung mitwirkten, sollten darauf hinwirken, dass die Armen nicht vergessen wurden. Dabei sollte aber darauf geachtet werden, dass bedürftigen Erben nichts entzogen wurde. 152) LB fol. 43v. 153) Vgl. Schmelzeisen. Polizeiordnungen, S. 162. Diese Form fand sehr wenig Verbreitung. 154) LB fol. 42v. 155) Vgl. Hübner, Privatrecht, S. 794. 156) Vgl. Schmelzeisen, Polizeiordnungen, S. 173. Es war nach der Errichtung eines neuen Testaments der Widerruf des alten nicht mehr notwendig. 37
	        

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