Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

«LANDTS BRAUCH, ODER ERBRECHT» KARIN SCHAMBERGER-ROGL ten noch vor den Eltern, deren Kinder hingegen nicht. Halbgeschwister waren jedoch ausgeschlos- sen, wenn «rechte» Geschwister vorhanden waren. Nach ihnen erbten die Eltern und die Grosseltern. Als letztes erbten die Verwandten in den Seitenlini- en, womit die Nachkommen der Grosseltern, also Geschwister der Eltern, aber auch als letztes die Geschwister der Grosseltern gemeint waren. Auch die Ehegatten wurden in der Folgeord- nung berücksichtigt. Dies war die erste Erwähnung eines gesetzlichen Erbrechts der überlebenden Ehegatten, das in der Erbordnung von 1531 noch fehlt. Als verheiratet galt man nicht schon nach der Hochzeitszeremonie, sondern erst, wenn «die De- cke beschlagen» war, also nach der Hochzeits- nacht. Verlobte hatten keinen Erbanspruch. Ver- starb der Ehemann, so bekam seine Frau alles, was sie selbst in die Ehe eingebracht hatte sowie den dritten Teil dessen, was sie während der Ehe ge- meinsam erwirtschaftet hatten. Der Rest dieses Guts sowie alles, was der Mann in die Ehe gebracht hatte, fiel an die nächsten Verwandten des Mannes, üblicherweise an die gemeinsamen Kinder. Der überlebende Mann hingegen erhielt zwei Drittel des in der Ehe erwirtschafteten Gutes. Eine wichtige Bestimmung deutsch-rechtlicher Natur war, dass das Erbe nicht «steigen» sollte.134 Wenn jemand etwas geerbt hat, so sollte bei dessen Tod das Erbe nicht an seine Eltern, sondern an den nächsten Blutsverwandten des vorher Verstorbe- nen fallen. Von der gegenseitigen Beerbung der Ehegatten handelt das nächste Kapitel im Landsbrauch. Bei der Vererbung des Guts wird, wie im deutschen Recht üblich, unterschieden, ob es sich um «liegen- des» Gut, also Grundstücke und Immobilien oder «fahrendes», das heisst bewegliches Gut wie Werk- zeug oder Mobilar handelte.135 Das «liegende» Gut 123) LB fol. lr. 124) «... niemanden ... das testieren und vermachen entziehen oder verbieten wollen, sondern lassen es alles den unsrigen ... hiemit frey libre zu». LB fol 39v. 125) Vgl. Burmeister, Vorarlberger Landsbräuche. S.96. 
126) Legitimation per subsequens matrimonium. Es handelte sich dabei um eine beschränkte Legitimation, da die Kinder nur im Verhältnis zu ihren Ellern als ehelich geboren galten, nicht aber den übrigen Verwandten gegenüber. Vgl. Siegel, Heinrich: Das deutsche Erbrecht nach den Rechtsquellen des Mittelalters in seinem inneren Zusammenhang dargestellt. Neudruck der Ausgabe Heidelberg 1853. Aalen, 1969, S. 32. 127) Vgl. Schmelzeisen, Gustaf Klemens: Polizeiordnungen und Privatrecht. Münster/Köln, 1955. (Forschungen zur Neueren Pri- vatrechtsgeschichte. Band 3), S. 154; im folgenden zitiert als: Schmelzeisen, Polizeiordnungen. 128) Vgl. Aebi, Landsbrauch Sax-Forsteck, S. 96. Auch in Sax- Forsteck war das Repräsentationsrecht allgemein anerkannt. 129) Vgl. Schmelzeisen, Polizeiordnungen, S. 146. Im Reichsab- schied von Speyer aus dem Jahr 1529 war für die Teilung nach Köpfen entschieden worden, woran sich manche Landesordnungen orientierten. 130) Ebenda. 131) Vgl. Burmeister, Caspar von Capal, S. 44. 132) In einigen Landesordnungen, wie zum Beispiel in Sax-Forsteck, nahm man auf das römische Erbklassensystem Bezug, bei dem die Verwandten des Verstorbenen nach Erbklassen geordnet wurden, welche dann das Erbe gemeinsam antraten. Das Erbrecht in Vaduz, Schellenberg und Blumenegg ist jedoch noch germanisch-rechtlich bestimmt, da die Verwandtschaft nach Gradesnähe eingeteilt wurde und auch so erbte (Geschwister vor Eltern und nicht gemeinsam!). Vgl. Aebi, Landsbrauch Sax-Forsteck, S. 93 f. 133) Vgl. Hübner, Lorenz: Grundzüge des deutschen Privatrechts. 5. Auflage. Leipzig, 1930, S. 764 f. Nach der Parentelenordnung erben Eltern vor den Geschwistern, da die Kinder nach alter Auffassung mit den Eltern durch ein engeres Blutsband verbunden seien als mit den Geschwistern; im folgenden zitiert als: Hübner, Privatrecht. 134) Ebenda, S. 95. 135) Über liegendes Gut und Fahrnis siehe nächstes Kapitel «Das Schuld- und Pfandrecht oder das Sachenrecht» auf S. 42-46. fol. 2v und 3r: Jedem in Form eines Stammbaums dargestellten Erbfall ist eine erläuternde Erklä- rung angefügt. Dem so- eben erklärten Fallbeispiel folgt eine Situation, in der die Witwe und die Kinder eines verstorbenen Man- nes stehen. Es wird hier festgelegt, zu welchen Tei- len der Witwe und den Kindern das Erbgut des Verstorbenen zufällt (Seite 28/29). 27
	        

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