chen Massnahme schreckten nicht nur die lokalen Behörden in Vorarlberg, sondern auch die franzö- sischen Besatzungstruppen zurück. Der Gerechtig- keit muss gesagt werden, dass anderes, ideologisch «sauberes» Personal, das zudem über das nötige Fachwissen verfügte, zur Übernahme dieser Be- triebe meist nicht zur Verfügung stand. Und es wurde schon im Dezember 1945 in Dornbirn die Beobachtung gemacht, dass «die ehemals über- zeugten Nazis, soweit sie auch früher auf ihre Ne- benmenschen noch etwas hielten, von einem Fa- schismus nichts mehr wissen wollen und es gera- dezu bereuen, jemals der Nazipropaganda erlegen zu sein» (S. 192). Ob indes alle einstigen Sympathi- santen des Nationalsozialismus über diese Lern- fähigkeit verfügten, sei dahingestellt. Jedenfalls heisst es in einen anderen Bericht aus Dornbirn, ebenfalls verfasst im Dezember 1945, die ehemali- gen Nationalsozialisten seien «äusserst zurückge- zogen und [bewiesen] jeden Tag aufs Neue, dass sie nicht von jener Tapferkeit erfüllt [waren], die sie seinerzeit immer vorgegeben [hatten]» (S. 181 f.). Die vier alliierten Besatzungsmächte richteten im Frühjahr 1945 im Zuge der Befreiung Öster- reichs vom Hitler-Regime an mehreren Orten Inter- nierungslager ein, in denen besonders belastete Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen Zwangsarbeit verrichten mussten. Diese Bemühun- gen wurden von der provisorischen österreichi- schen Regierung unter Bundeskanzler Karl Renner unterstützt. Derartige Internierungslager gab es in Vorarlberg in den Ortschaften Lochau bei Bregenz, Bredens bei Rankweil sowie in Rungellin bei Blu- denz. Diese Lager bestanden bis 1947 beziehungs- weise 1948. Die Regierung Renner hatte zudem im Oktober 1945 ein Verfassungsgesetz beschlossen, welches Kriminelle und ehemalige aktive Partei- gänger/innen des Nationalsozialismus vom Wahl- recht ausschloss. In Vorarlberg waren 15 156 Per- sonen, gut 16 Prozent der Bevölkerung, davon be- troffen (vgl. S. 381). Dass Industrielle bisweilen aber doch für ihre Vergangenheit büssen mussten, zeigt ein Beispiel aus Schlins: Dort arbeitete die Firma «Eisen- und Metallwerk Hubers Erben» nach Kriegsende nur
noch in beschränktem Umfang, nachdem Betriebs- führer und Ingenieure der Fabrik in Flaft gesetzt worden waren (vgl. S. 315). Dennoch wurden ehe- malige Mitglieder der Nationalsozialisten wohl mehrheitlich geschont, gerade wenn sie in privile- gierten Stellungen waren. So heisst es auch in ei- nem Bericht aus Satteins vom Dezember 1945: «Die Bevölkerung kritisiert, dass von einer Säube- rung in den Behörden und Ämtern nicht viel getan wird» (S. 306). STIMMUNGSBERICHTE AUS DEN GEMEINDEN Wolfgang Weber stellt in diesem Buch Lage- und Stimmungsberichte aus den Vorarlberger Gemein- den des Bezirks Feldkirch im Jahre 1945 vor. Ad- ministrativ zu Feldkirch gehörten damals auch die Gemeinden des heutigen Bezirks Dornbirn. Zu die- sem Verwaltungsbezirk gehörten folglich ausser den Städten Feldkirch und Dornbirn noch die nachstehenden politischen Gemeinden (in alphabe- tischer Reihenfolge): Altach, Düns, Dünserberg, Frastanz, Fraxern, Göfis, Götzis, Hohenems, Klaus, Koblach, Laterns, Lustenau, Mäder, Meiningen, Rankweil, Rons, Röthis, Satteins, Schlins, Schnifis, Sulz, Übersaxen, Viktorsberg, Weiler und Zwi- schenwasser. Sehr wertvoll ist die von Wolfgang Weber verfass- te Einleitung, welche der Quellentext-Edition vor- angestellt ist (S. 17-62). Darin wird ein Überblick zur Vorarlberger Landesgeschichte im Jahr 1945 gegeben, der wesentlich zum Verständnis der nach- folgenden Quellentexte beiträgt. Diese Quellen be- finden sich vollständig im Vorarlberger Landesar- chiv in Bregenz, und zwar unter den angeführten Angaben VLA, BH Feldkirch VI-306/1945 bezie- hungsweise Feldkirch ZI. 510/1945. Bei der für das vorliegende Buch erfolgten Transkription der Texte wurde die authentische Schreibweise gewahrt, dies unter Beibehaltung von grammatikalischen und or- thographischen Fehlern. Teil 1 der Quellenedition (S. 65-136) enthält einlei- tend sechs Rundschreiben des Gauleiters bezie- 216