Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

die damals im Bezirk Werdenberg bestehenden drei Zeitungen durchkämmt, nämlich den freisinnigen, bis heute bestehenden <Werdenberger & Obertog- genburgeo (<W&0>, Buchs), den katholisch-konser- vativen <Werdenberger Anzeiger) (als «Gamser Blättli» bezeichnet) sowie die parteiunabhängigen <Werdenberger Nachrichten) (Buchs). Und viertens hat Hagmann die Oral History fruchtbar gemacht, indem er 18 Zeitzeugen gezielt befragt hat. Die In- terviews fanden zwischen 1985 und 1989 statt; in- zwischen ist die Mehrzahl dieser Zeitzeugen schon verstorben. Hagmanns Einbezug der Zeitzeugenbe- fragung ist übrigens ein konkretes Beispiel dafür, dass in der Schweiz die Oral History schon länger wissenschaftliche Anwendung findet als dies eine vor wenigen Jahren breit publizierte Meinung be- hauptete. ZWEI SCHWERPUNKTE: WIRTSCHAFTSNOT UND PARTEIEN Hagmanns Werk ist - entgegen dem breiten Ge- samttitel «Krisen- und Kriegsjahre im Werden- berg» - keine Gesamtdarstellung der Zeit. Vielmehr sind zwei Bereiche unterschieden, eingegrenzt und im Detail analysiert, nämlich zuerst die Wirt- schaftskrise mit Arbeitslosigkeit, im Buch rund 80 Seiten umfassend, und als zweites die aus der wirt- schaftlichen Not erklärte Veränderung der politi- schen Parteienlandschaft, im Buch mit rund 200 Seiten umfangreicher ausfallend. Nach einer knap- pen, gehaltvollen Zusammenfassung von 6 Seiten bringt ein gut 50 Seiten umfassender Anhang Ta- bellen zur Arbeitslosigkeit, zu Fürsorgeleistungen, zur Arbeitsbeschaffung sowie zu Wahlen. Die Fuss- noten geben auf jeder Doppelseite wohltuend kurz die genauen Quellennachweise, sie und die Biblio- graphie dienen der weiteren Forschung, auch über die Bezirks- und Rheingrenze hinaus. Zurückhal- tend sind im Buch 63 Abbildungen bislang unbe- kannter Fotografien und Flugschriften, aus zahlrei- chen Privatquellen zusammengetragen, verteilt. Bilder haben eine eigene Qualität, sie führen man- chen komplexen Zusammenhang unmittelbar vor 
Augen, etwa mit der für den Kanalisationsbau auf- gerissenen Buchser Bahnhofstrasse oder mit dem Porträt des NS-Anhängers und Azmooser Pfarrers Wirth. Die in der vorliegenden Besprechung wie- dergegebenen Bilder mit Legenden entstammen Hagmanns Buch (mit freundlicher Einwilligung von BuchsDruck und Chronos). Die Ostschweiz war nach dem Ersten Weltkrieg schon von der Stickereikrise getroffen. Flinzu kam ab Ende der 1920er Jahre die Weltwirtschaftskrise. Dies schlug sich auch in der stagnierenden Bevöl- kerungsbewegung nieder. Der Bezirk Werdenberg zählte 1941 etwas weniger Einwohner als noch 1920. Wanderungsverlust und Geburtenrückgang wirkten zusammen. Ärmste Gemeinde im Bezirk war Gams - zu der auch Haag gehört -, es herrsch- te «bittere Not». Gams war Stickerdorf und Klein- bauerndorf, zugleich die einzige katholische Ge- meinde im sonst überwiegend reformierten Bezirk. 1937 verschärfte sich die Lage noch durch den «Sparkassenkrach», indem die Sparkasse Gams wegen spekulativer Verfehlungen in Konkurs ge- riet. Am andern Ende der Skala konnte sich Buchs als Grenzbahnhof, Verkehrs- und Einkaufsort - auch für Liechtensteiner - am ehesten halten. Buchs wies 1935 im Vergleich zu den andern Wer- denberger Gemeinden ein doppelt so hohes Steuer- kapital pro Kopf auf, im Vergleich zu Gams ein fast dreimal so hohes. ARBEITSLOSIGKEIT BIS ZUM KRIEG Aufgrund der monatlichen Erhebungen des Kanto- nalen Arbeits- und Sozialversicherungsamtes in St. Gallen ist die Arbeitslosigkeit zwischen 1932 bis 1945 durchgehend statistisch belegt, für den Be- zirk wie für jede Gemeinde. Auch für 1930 und 1931 liegen Daten vor. Hagmann verweist zurecht auf die Problematik von Arbeitslosenzahlen, weil nicht alle Betroffenen statistisch auftauchen, indem etwa Resignierende - insbesondere Mädchen und Frauen - oder Ausgesteuerte wegfallen, und weil Teilarbeitslose unterschiedlich eingerechnet sind; die letzteren wurden meist zur Hälfte mitgezählt. 206
	        

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