Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

he geht schnell vorüber. Sie kommt in Bussen, ab neun Uhr, hundertfünfzig an einem schönen Som- mertag, jeder mit achtzig Leuten, die ein Bedürfnis haben, die Ansichtskarten kaufen, Zigaretten und Schokolade, die Kaffee trinken und wieder abfah- ren. Vaduz ist ein ruhiger Fleck».27 Unruhe geht schnell vorüber ... - aber den Tag über bestimmt sie das Leben in Vaduz, und es ist gewiss ein Stück Heimatkunde oder Volkskunde, wenn gefragt wird, was sich hier abspielt, warum die Tagesgäste kom- men, was sie sehen wollen und was sie tatsächlich sehen. Welches Bild - vielleicht sollte man in die- sem Zusammenhang eher sagen: welches Image wird ihnen präsentiert, und was bedeutet der Fremdenverkehr für die liechtensteinische Iden- tität? Sicher, man kann warten, bis die Fremden wieder weg sind. Aber vielleicht bleibt dann gar nicht mehr so viel übrig, und jedenfalls ist auch das Leben ohne die Fremden nicht unverändert - und sei es nur, weil ein autochthones, ein stilles Kon- trastprogramm aufgebaut wird zu dem saisonalen Trubel. Ein junger amerikanischer Ethnologe legte vor kurzem eine kleine Untersuchung vor über die Fastnacht in Elzach, einem kleinen Ort im Schwarzwald. Er gab der Studie eine Überschrift, die den Charles-Dickens-Titel «A Tale of Two Ci- ties» variiert: «A Tale of Two Carnivals».28 In Elzach gibt es den alten Brauch des Taganrufens am Morgen des Fastnachtsmontags, gegen vier oder halb fünf Uhr, vor Eintritt der Dämmerung. Das ist so früh, dass Fremde um diese Zeit noch 
nicht im Dorf sind; aber auch tagsüber sind am Montag Fremde in den Wirtschaften des Dorfs nicht zugelassen, jedenfalls nicht gerne gesehen - und es gibt wirksame Mittel, sie das merken zu las- sen, so dass sie schnell wieder aus den Lokalen verschwinden. Aber es gibt auch eine Fastnacht für die Fremden. Seit der Zeit um den Ersten Weltkrieg wird am Sonntagmittag die Fastnacht ausgerufen, und der ganze Fastnachtssonntag dient eigentlich dazu, den fremden Besuchern etwas vorzuführen, bis hin zu einem abendlichen Fackelzug. Der Eth- nologe zeigt nun, dass beides eine wichtige Funkti- on für die Elzacher hat, nicht nur der interne Brauch am Montag, sondern auch die vorausge- hende Aussendarstellung. Ich weiss nicht, ob es in Liechtenstein Parallelen gibt - aber auch wenn dies nicht der Fall ist, möchte ich daran festhalten, dass auch der Fremdenverkehr ein Stück Liechtenstei- ner Volksleben ist. Es war mir wichtig, wenigstens an der einen oder anderen Stelle konkret zu werden, also anzudeu- ten, wo das Neue konkret zu suchen und zu finden ist. Um dies nun aber nicht in eine endlose Liste münden zu lassen, möchte ich abschliessend etwas prinzipieller fragen, wie sich die neuen Akzente in der heutigen Gesellschaft charakterisieren lassen. Ich stelle dazu vier Beobachtungen heraus: 1. Die alte Volkskunde ging von einer relativ homo- genen Gesellschaft aus. Kulturräumliche Unter- schiede waren wichtiger als die sozialen. Heute da- gegen haben wir es mit einer früher unbekannten 142
	        

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