Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2001) (100)

Fakten usw. zu kämpfen hat.6 Doch wenden wir uns der Frage zu: Was ist ein Museum? Museen sind Orte der gemeinsamen Erinnerung! Erinnerungsvermögen und Erkenntnisfähigkeit sind primär dem Menschen gegeben. Das geistige Ver- arbeiten von Eindrücken und Erfahrungen zur Ein- sicht, das bewusste Erfassen und Erkennen, sind die fundamentalen Dimensionen des Menschseins. Cogito, ergo sum, nannte es Rene Descartes im 17. Jahrhundert. Wenn Museen - für viele ein an- tiquierter Begriff - auch primär auf Objekten, in der Regel auf materiellen Zeugnissen des menschli- chen Tuns basieren - eine Ausnahme bilden u.a. grosse Teile von naturkundlichen Sammlungen - so ist dies nur im Kontext des geistigen, intellektuellen Zusammenhangs und im historischen Umfeld zu verstehen und nachzuvollziehen. Hierin unter- scheidet sich das Museum vom Kunst- und Kurio- sitätenkabinett, vom Antiquitätenhandel. «Das Museum ist eine gefährliche Institution!», schreibt Martin R. Schärer7 etwas provokant. Und er fährt fort: «Auf den ersten Blick allerdings erscheint es ohne Arg, sammelt es doch entweder harmlose alte Ge- genstände, die sowieso nicht mehr recht zu ge- brauchen sind, oder dann prestigeträchtige Spit- zenstücke, die zu bewundern sich gebührt. Auf den zweiten Blick zeigt sich dann aber die Gefährlich- keit solchen Tuns: Da das Museum nicht alles sam- meln und ausstellen kann, muss es auswählen, zu- erst beim Erwerb, dann für die Bestückung der Vi- trinen. Solche Auswahl- und Visualisierungspro- zesse sind nicht nur zeitbedingt, sondern auch sehr subjektiv. Das Museum als Ort der multimedialen Kommunikation, der Fiktion und der Manipulation ist also alles andere als eine neutrale Institution; es vermittelt - unterschwellig und höchst selten thematisiert - ganz bestimmte Geschichts- und Weltbilder. Eine solche Kontrolle der Vergangen- heit (und damit der Zukunft) stellt auch eine Machtposition dar, die verantwortungsbewusst zu handhaben ist. ...An Versuchen, das Museum zu definieren, fehlt es nicht. Die Spannweite reicht von seriösen, international anerkannten Um- schreibungen bis zu sarkastisch-provokativen, 
aber dennoch bedenkenswerten Auslegungen. Ist das Museum ähnlich wie Asyl, Gefängnis oder Ka- serne ein <lieu d'enfermement>, ein Entsorgungs- ort, ein Kulturfriedhof der den Tod konserviert? Oder eine Institution, <die in repräsentativer Aus- wahl und mit unverständlichen Texten die Kultur- geschichte der jeweils führenden Schichten für die heute besonders Gebildeten zeigt>; ist es ein heili- ger Schrein, ein Musentempel, wissenschaftliches Showbusiness, soziales Gedächtnis, ein Lernort oder eine gesellschaftsrelevante, emanzipatori- sche Einrichtung? Für den Internationalen Museumsrat (ICOM) ist das Museum eine nicht-gewinnorientierte, perma- nente, allgemein zugängliche Institution im Diens- te der Gesellschaft und ihrer Entwicklung; es er- wirbt, bewahrt, erforscht, vermittelt und. präsen- tiert materielle Zeugnisse von Mensch und Umwelt in der Absicht, zu bilden und zu erfreuen. Wichtig ist die Gleichzeitigkeit der drei Hauptaufgaben Sammeln, Bearbeiten, Ausstellen. Darin unter- scheidet sich das Museum nämlich von ähnlichen Einrichtungen, die nur Teile dieser Trias zur Auf- gabe habe?i (Archive. Bibliotheken, Ausstellungs- institutionen). Jede notwendigerweise zeitbedingt formulierte Museumsdefinition bleibt allerdings hinter der sich gerade in neuester Zeit sehr rasch wandelnden Realität zurück. Vorläufer des Mu- seums sind bereits in der Antike zu finden, wohin auch der Ursprung des Begriffes zurückreicht. Mit <Museion> wurde eine unter dem besonderen Schutz der Musen stehende Institution der For- schung und des Lernens bezeichnet, welche die ge- samten Kenntnisse der Menschheit zu sammeln be- anspruchte. Über Kirchen-, Zunft- und Kriegsbeu- teschätze sowie die Kunst- und Wunderkammern der Renaissance und des Barocks führte der Weg dann ins 19. Jahrhundert, das - in Parallele zur Entstehung neuer Wissenschaften - durch eine Entflechtung der enzyklopädischen Sammlungen und eine zunehmende Spezialisierung gekenn- zeichnet ist, die sich bis in die Gegenwart fortset- zen - heute häufig übertrieben weit reichend, zum Beispiel mit einem Streichholzschachtelmuseum. ... Sehr viel ist in den letzten Jahren in der Mu- 364
	        

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