Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2001) (100)

«MUT HABEN, ANREGEN, DISKUSSIONEN ANFANGEN, DAS SIND SCHON AUFGABEN DES HISTORISCHEN VEREINS» besuchen. Erst dann spürt man die ihm eigene At- mosphäre. Wir haben wenig Baudenkmäler im Land. Mir tut es deshalb weh, wenn ich mit anschauen muss, wie ein weiteres Kulturgut zerstört wird, indem man es privaten Interessen ausliefert. Dass ein Pri- vater profitorientiert denkt, ist dabei nicht der Punkt. Was mich stört, ist das Abschieben von Ver- antwortung durch die öffentliche Hand, wenn es darum ginge, für ein Kulturgut einzustehen. An diesem Punkt möchte ich denn auch einhaken. Meiner Meinung nach müsste das Land das Ge- biet erwerben. Es müsste darum bemüht sein, dass diese Häuschen weiterhin von Leuten bewohnt werden können, die über kein grosses Einkommen verfügen. Die Weiher müssten natürlich auch unter Schutz gestellt werden. Es wird heute noch Strom produziert. Vielleicht liesse sich die Energiepro- duktion auch noch ausbauen. Dieses Quartier bie- tet so viele Möglichkeiten, die man in denkmalpfle- gerischer Hinsicht beispielhaft nutzen könnte. Der Historische Verein ist in der Denkmalschutz- Kommission vertreten. Das ist aber nur eine bera- tende Kommission, entscheiden tut letztlich die Re- gierung. Gerade im Bereich Denkmalschutz zeigt es sich für mich deutlich, dass der Verein eine kriti- schere Distanz zum Staat einnehmen sollte. Ich denke, er müsste gerade in solchen Fragen öffent- lich Stellung beziehen. In den 1950er Jahren be- zeichnete ein Vorstandsmitglied den Verein als «Wächter der Kulturgüter». Er spielte dabei auf den Umstand an, dass in früheren Zeiten liechten- steinisches Kulturgut wie zum Beispiel die Römer- helme aus Schaan ins Ausland verkauft wurden. Er meinte, dank dem Historischen Verein sei dies nun nicht mehr möglich. Das, was heute im Bereich Denkmalschutz passiert, ist ein Ausverkauf von Kulturgütern. Für mich läuft das unter diesem Be- griff. Ich denke, der Verein müsste dies öffentlich auch so benennen. Rupert Quaderer: Ich war an einer Zusammen- kunft der Betroffenen des erwähnten Bauvorha- bens als Vorsitzender des Vereins. Ich habe an die- ser Besprechung die These vertreten, mindestens 
sollten die Gemeinde Vaduz oder der Staat diese Häuser kaufen und sanieren und sie dann zu einem Preis vermieten, den die Leute, welche jetzt dort wohnen, bezahlen können. Aber ich habe gemerkt, die schauen mich an wie einen Marsmenschen. Der Unternehmer sagte, dass er wahrscheinlich vom Staat verpflichtet werde, diese Häuser zu sanieren. Der Staat wolle gar nicht sanieren, sondern diese Aufgabe dem Bauherrn übergeben. Veronika Marxer: Ich finde, da stiehlt sich der Staat aus der Verantwortung. Das müsste man sagen und zwar deutlich. Auch gegenüber den heutigen Bewohnerinnen und Bewohnern des Quartiers fin- de ich diese Haltung inakzeptabel. Sie waren es schliesslich, die das Quartier vor dem Verfall be- wahrt haben. Auch das ist Kulturpflege. Rupert Quaderer: Die Erklärung, warum diese Ob- jekte anders behandelt werden als Burgen oder Rö- mervillen, ist auch darin zu sehen, dass sie an ei- nem anderen Ort stehen. Es sind unscheinbarere Häuser als zum Beispiel eine Burgruine oder eine ausgegrabene römische Villa. Ich muss oft hören, das sei «an alt's Klump» und werde gefragt, warum man da nicht etwas Neues hinbauen dürfe, das auch besser sei für diejenigen, die darin wohnten? So wird argumentiert. Dann scheint mir das private Interesse der Be- sitzer wesentlich, welche mit diesem Boden eine möglichst grosse Rendite erzielen wollen. Es wurde auch das Argument gebracht, dass man einem Pri- vaten nicht verbieten könne, etwas zu bauen. Das sei einer Enteignung gleichzusetzen. Ich will das nicht verteidigen, aber die Argumente gehen viel- fach in diese Richtung. Veronika Marxer: Aber mir scheint, dieses Beispiel, wie übrigens auch das Gamander2, ist anders gela- gert. Hier geht es darum, dass ein Privater ein denkmalgeschütztes Objekt zum Verkauf anbietet. 2) Gamander, herrschaftlicher Gutshof'in Schaan; siehe auch Inter- view mit Marie-Theres Frick und Volker Rheinberger, S. 296 f. 289
	        

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