Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2001) (100)

FESTANSPRACHEN ZUM 100-JAHR-JUBILÄUM QUADERER / FRICK / OSPELT / RHEINBERGER Der Historische Verein - bei den Worten genommen Am 11. Februar des Jahres 1901, also im übertra- genen Sinne auf den Tag genau vor 100 Jahren, richtete ein um das dies- wie auch jenseitige Wohl- ergehen einer ihm über regen Briefverkehr ans Herz gewachsenen, heranwachsenden jungen Da- me äusserst besorgter, in seinem 62. Lebensjahre stehender, väterlicher Freund an die Mutter der ge- fährdeten Seele folgende Zeilen: «Auch bemerkte ich mit Bedauern die so Vielen verhängnisvoll werdende Vorliebe für das <Moder- ne> überhaupt, in welcher Gestalt (in Kunst, Wis- senschaft und Literatur) es sich auch zeigen mag; dass damit der Sinn für das einfach Wahre, Schöne und Gesunde unrettbar verloren geht, habe ich bei Dutzenden jungen Leuten gesehen. Das that mir leid.» Unterzeichnet «Mit der Versicherung meiner Hochachtung, Gnä- dige Frau! Küsse ich Ihre Hand und verbleibe Ihr ergebenster Josef Rheinberger» Und dem edlen, verwirrten Töchterlein daselbst gab er gleichentags in einem weiteren Brief den fol- genden Bibelspruch mit auf ihren gefahrenvollen Weg in die Moderne: « <Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht was sie thunh Auch Du, mein theurer, theurer Freund, weißt nicht, was Du thust!» Zu jenem Zeitpunkt, einem Montag, bestand für die angemahnte Henriette Hecker noch Hoffnung. Für Liechtenstein aber, der Heimat des Mahnenden im fernen München, war es bereits zu spät. Einen Tag zuvor nämlich hatten sich drei «Moderne» mit 42 Gleichgesinnten im Kirchthaler zu Vaduz getroffen, um moderne Sitten in modernde Kammern zu bringen, wo - Zitat - «die geschichtliche und kultu- relle Entwicklung unseres Landes berührende Ur- kunden» - weiteres Zitat - «zum Theile unbeachtet und unverstanden» - Zitatende - lagen. Wenige Tage zuvor, am 8. Februar 1901, hätte Josef Gabriel Rheinberger folgende Ankündigung im «Liechtensteiner Volksblatt» lesen können: «An die Freunde der Geschichte des Fürstentums Liechtenstein ergeht folgende Einladung: Am Sonn- tag den 10. Februar 1901, nachmittags 3 Uhr, wird. 
im Saale von Herrn Kirchthaler in Vaduz eine Ver- sammlung stattfinden, welche den Zweck hat, ei- nen historischen Verein für das Fürstentum Liech- tenstein zu gründen.» Endlich mal was los im Ländle, mag sich der heutige Leser in post-moderner Unkenntnis der Dinge sa- gen, denn: so einfach war's dann doch wieder nicht. Die um das kulturelle Erbe besorgten Herren hatten kulturelle Konkurrenz. Will man dem «Volksblatt» glauben. Und wer tut das nicht. Schliesslich gab es 1901 nur eine Liechtensteiner Zeitung. In jenen bedeutungsvollen Februartagen also re- gierte und reagierte in Liechtenstein die Fasenacht. Oder wie Herr Rheinberger gesagt hätte: Der Fa- sching. Nach heutiger Zeitrechnung wäre sogar an jenem denkwürdigen Sonntag, dem letzten Sonntag vor dem Fasnachtssonntag, traditionsgemäss der Vaduzer Kinderumzug am Kirchthaler respektive dem Vaduzerhof respektive der Braustube vorbei- gezogen. Nur tat er's (noch) nicht. Dafür tat sich anderes: In Triesen spielte an je- nem Sonntag der Jungfrauenverein im Saale des Gasthofes zum Sternen das Schauspiel in drei Ak- ten «Von Gottes Gnaden», gefolgt von «Leberlein», einem Lustspiel in zwei Akten. In Schaan wurden «Die Räuber auf Maria Kulm» durch die Kleinkin- derbewahranstalt gegeben und neben vielen weite- ren diversen musikalischen Fastnachtsunterhal- tungen gab's zu gleicher sonntagnachmittäglicher Stund in Azmoos «Die Jungfrau von Orleans» und in der Tonhalle zum Schwefelbad Sargans «Der Sohn der Wildnis». Erstaunlich also, dass sich dennoch 45 Aufrech- te in der Vaduzer Nobelherberge einfanden, wie das Protokoll, welches am 15. Februar im «Volks- blatt» abgedruckt wurde, nicht ohne Stolz berich- tete. «Herr Dr. Albert Schädler begrüsste die Anwesen- den» - Sie finden dies übrigens auch auf der Einla- dung - «im Namen des vorbereitenden Komitees und schilderte den idealen Zweck und die patrioti- sche Bedeutung des neuen Vereines. Unser Land besitze zwar schon eine grössere Zahl von Verei- nen. Einige davon, wie der landwirtschaftliche Ver- 11
	        

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