Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2001) (100)

ZUM GEDENKEN AN DIE VERSTORBENEN VORSITZENDEN DES HISTORISCHEN VEREINS / ALOIS OSPELT Arzt, als «ein Mann von grosser Geistesschärfe, umfassendem Wissen, festem Charakter, tiefer reli- giöser Gesinnung und edlem Gemeinsinn», als ein- sichtsvoller, uneigennütziger Staatsmann, als fähi- ger und wohlmeinender Volksvertreter, als «Seele des Landtags».4 Der Aufschwung, den Liechten- stein in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht genom- men hatte, wird zu einem guten Teil seinem öffent- lichen Wirken zugeschrieben. Auch aus grösserer zeitlicher Distanz betrachtet darf zu Recht festge- halten werden, dass Albert Schädler zusammen mit seinen Brüdern Rudolf und Karl massgeblichen Einfluss auf das politische, wirtschaftliche und kul- turelle Leben in Liechtenstein genommen hat.3 ARZT Nach klinischen Kursen in Wien führte Albert Schädler ab 1872 mit seinem Bruder Rudolf in Va- duz eine gemeinsame ärztliche Praxis in dem an- stelle des «Tschaggaturms» erbauten so genannten «Schädlerhaus». Von 1874 bis 1890 wirkte er je- weils im Sommerhalbjahr als «Badearzt in Ragaz- Pfäfers». In dieser Funktion verfasste er die 1886 in grosser Auflage erschienene Schrift «Ragaz-Pfä- fers, die Heilwirkung seiner Therme, Lage und Kli- ma».6 In den Jahren als Kurarzt unternahm er ver- schiedene grössere und kleinere Reisen in Europa und knüpfte Kontakte mit der medizinischen Fach- welt. Mehrmonatige Studienaufenthalte verbrachte er 1879 in Lyon und Paris sowie 1887 in London. Nach seiner Tätigkeit als Kurarzt ab 1890 führte er wieder gemeinsam mit seinem Bruder die Arztpra- xis in Vaduz. Schädler war ein gesuchter und ge- wissenhafter Arzt. In seiner Berufstätigkeit lernte er die wirtschaftlichen Nöte der Bevölkerung ken- nen und übte stille Wohltätigkeit. 1911 wurden sei- ne Verdienste als Arzt von höchster Stelle ausge- zeichnet: Fürst Johann IL verlieh ihm den Titel ei- nes Fürstlichen Sanitätsrats. 
POLITIKER Albert Schädler war zeitlebens sehr engagiert in öf- fentlichen Angelegenheiten. Er hatte weite Interes- sen und zeigte einen aussergewöhnlichen Einsatz für die Landeswohlfahrt im eigentlichen Sinn des Wortes. 1882 wurde er in den Landtag gewählt, dem er mit kurzer Unterbrechung bis 1919 an- gehörte, und in dem er durch 34 Jahre den Vorsitz führte. Als Mitglied von Kommissionen und deren Berichterstatter war er auf fast allen Gebieten der Gesetzgebung wesentlich beteiligt und leistete, aus- gestattet mit breitem, umfangreichem Wissen, grundlegende Arbeit. In seiner Festrede zur Eröff- nung der Landesausstellung 1895 verwies er auf den wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung Liechtensteins im Gefolge und auf der Grundlage der Verfassung von 1862. Er nannte diese «die Magna Charta unserer Freiheit, die Grundlage der selbständigen Rechte unseres Volkes und von des- sen Vertretern» und verglich sie mit einem starken Baum, der reiche Früchte trage, weil er seine Wur- zeln im Mark des Volkes habe.7 Obwohl ein Mann konservativer Prägung, gab Albert Schädler, weltgewandt und weitgereist, der liechtensteinischen Landespolitik doch manche fortschrittliche Impulse. Der politische Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg zwang ihn zur Resigna- tion. In der Landtagssitzung vom 7. November 1918 erklärte er die erzwungene Abdankung von Landesverweser von Imhof als verfassungswidrig. Am 19. Mai 1919 legte er sein Abgeordnetenman- dat nieder, verliess das Land und nahm Wohnsitz in München. Am Schluss seines Berichts über die Tätigkeit des liechtensteinischen Landtags 1912 bis 1919, seiner letzten Arbeit im Jahrbuch des Histo- rischen Vereins 1921, findet sich gleichsam sein 4) LVolksblatt, 21. und 24. Juni 1922. 5) Vgl. die umfassende biographische Darstellung: Rheinberger, Rudolf: Dr. med. Albert. Schädler, 1848-1922. Arzt, Politiker, Histori- ker. In: JBL 94 (1997), S. 101-150. 6) Vgl. Verzeichnis der Veröffentlichungen, S. 169. 7) LVolksblatt. 1. November 1895. 165
	        

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