1901 BIS 2001: DIE ERSTEN HUNDERT JAHRE DES HISTORISCHEN VEREINS / KLAUS BIEDERMANN Fragen, wie nach den Benennungen der Körper- teile, nach Witterungserscheinungen, Frauenarbei- ten, Verwandtschaftsgraden usw. Auch Fragen zur mundartlichen Grammatik (Einzahl- und Mehr- zahlbildung, Konjugation usw.) fehlten nicht. Die Aufnahmen in einer Ortschaft dauerten rund eine Woche. Eugen Gabriel führte die Befragungen in den elf liechtensteinischen Gemeinden im Jahr 1964 durch, ergänzt durch abschliessende Auf- nahmen im Jahr 1982.669 Wie schon der Name «Sprachatlas» besagt, wird das Material in Form von Sprachkarten publiziert. Analog zum eingangs erwähnten «Sprachatlas der deutschen Schweiz» geschieht dies punktuell mit Hilfe von Symbolzeichen, die in einer Legende er- läutert werden: «Diese Darstellungsweise hat sich heute allgemein durchgesetzt im Gegensatz zu der früher üblichen Darstellung mit Hilfe von Sprach- grenzen, wo die Aufnahmeorte nicht sonderlich berücksicht werden und die Gefahr besteht, dass auf einen Ort beschränkte Besonderheiten nicht in Erscheinung treten».670 Die Publikation der ersten Kartenlieferungen erfolgte 1985. Das Konzept sah vor, den Sprach- atlas in einem sechsbändigen Gesamtwerk zu ver- öffentlichen. Die inzwischen vorliegenden Bände I und II behandeln «Kurzvokale und Positionsdeh- nungen» (Band I) beziehungsweise «Langvokale, Diphthonge, Silbendehnungen» (Band II). Band III liegt teilweise vor und behandelt den Konsonan- tismus sowie die Morphologie (Formveränderun- gen von Wörtern).671 Der ebenfalls abgeschlossene Band IV ist dem Bereich (vergleichende) «Wort- geographie» gewidmet, und zwar den Nord-Süd- Gegensätzen mit Einschluss der romanischen Lehnwörter. Von Band V, der auch diesem Thema gewidmet ist (mit den West-Ost-Gegensätzen), liegt das Manuskript vor, das von Eugen Gabriels langjährigem Mitarbeiter, dem Germanisten Dr. Hubert Klausmann aus Ellwangen, erarbeitet wur- de. Auf die Realisierung eines geplanten sechsten Bandes wird voraussichtlich verzichtet, so dass das Projektende in die Nähe rückt. Im Jahr 2006 soll der Sprachatlas vollständig in gedruckter Form vorliegen.672
Zu den einzelnen Lieferungen des Sprachatlas- ses erscheinen Kommentar- und Abbildungshefte. Gerade weil viele Gegenstände (Geräte, Geschirre, Gefährte), nach denen gefragt wurde, längst nicht mehr in Gebrauch und der jüngeren Generation unbekannt sind, bestand hier ein Bedarf, eine Aus- wahl davon im Bild darzustellen und sprachliche Verwendungen dafür in einem Kommentarheft zu erläutern. Der Sprachatlas dient - wie auch das Namen- buch - dazu, vom Verschwinden bedrohtes Sprach- und Namengut zu dokumentieren und der Nach- welt zu erhalten. 667) JBL 100 (2001). Jahresbericht, S. 330. 668) Eugen Gabriel: Der Vorarlberger Sprachatlas mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein, Westtirols und des Allgäus. Unpubli- ziertes Manuskript. 669) Protokoll der Vorstandssitzung vom 16. Juni 1982. 670) Eugen Gabriel: Der Vorarlberger Sprachatlas mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein, Westtirols und des Allgäus. Unpubli- ziertes Manuskript. 671) Die Morphologie ist die Wissenschaft von den Formveränderun- gen, denen die Wörter durch Deklination und Konjugation unterlie- gen. 672) Vgl. Gutachten von Professor Arno Ruoff, Tübingen, zum Sprachatlas, datiert vom 29. Juli 2000. Professor Ruoff begleitet die Arbeit von Professor Eugen Gabriel inhaltlich. 137