Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1901) (1)

— 104 — In den Sitzungen v. 18., 22. u. 29. II. und v. 7. u. 14. III. 1864 fand das neue Gemeindegesetz eine eingehende Beratung und wurde in der Schlußsitzung mit manchen gegenüber dem Regierungsentwurfe nicht unwesentlichen Veränderungen ein- stimmig angenommen!). Das neue Gesetz zeigt einen bedeutsamen Fortschritt gegen- über den Bestimmungen, welche die bisher gültige Gemeinde- ordnung vom 1. VIH. 1842 enthielt. Nach der letztern oblag die Leitung des Gemeindewesens dem Ortsrichter und dem Säckel- meister. Die dem Ortsvorstande beigegebenen Geschworenen waren blos seine Vollzugsorgane. Sie sollten zwar auch seine nächsten Rathgeber sein, allein da sie ihm untergeordnet waren und keine beschließende Stimme hatten, waren sie, streng genommen nur Handlanger des Ortsrichters. Die Wahl des Ortsrichters, des Säckelmeisters und der Geschworenen erfolgte in einer Gemeinde- versammlung durch die wahlberechtigten Gemeindemitglieder in der Art, daß für die Besetzung jeder dieser Posten drei Personen vor- geschlagen wurden, aus welchen die Regierung diejenige Person, welche sie für die tauglichste ansah, verpflichtete. Der Ortsrichtcr war, wie der Kommissions-Referent Abgeordneter Keßler schildert, sozusagen Alleinherrscher in der Gemeinde und doch hatte er keines- wegs eine beneidenswerthe Stellung. Er war mit seiner Person allen Angriffen der Gemeinde auf die Gemeindeverwaltung aus- gesetzt und mußte alle Mißgriffe in Gemeindesachen vor der höheren Stelle allein vertreten, er war, um es kurz zu sagen, zwischen Thür und Angel gestellt. Selten fanden sich Ortsrichter, welche die Einsicht und den Muth zu selbständigem Handeln hatten. Die Ortsrichter gebrauchten daher gewöhnlich. das Auskunfts- mittel, entweder in Angelegenheiten, die sie selbst zu entscheiden be- rufen waren, Aufträge ihrer vorgesetzten Behörde zu provozieren und. sich dann hinter solche Aufträge zu verschanzen, oder selbst die geringfügigsten Sachen der Gemeindeversammlung zur Beschluß- fassung vorzulegen: Das eine, wie das andere war vom Uebel und es durfte daher nicht wunder nehmen, daß die Gemeindeverwalt- ungen sich eines guten Rufes nicht erfreuten. Das neue Gemeindegesetz war berufen, diesen Uebelständen zu wehren durch Einführung eines vernünftigen 
Repräsentativ- ') L. G. B. Nr. 4 1864 Gesetz v. 24. V. 1864. '
	        

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