184 Thomas Bruha/Katja Gey-Ritter
d) Öffentliches Beschaffungswesen
Das WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen ist als
sog. plurilaterales Abkommen nur für die Staaten verbindlich, welche es
ausdrücklich mit ratifiziert haben bzw. ihm separat beigetreten sind!2, Es
befindet sich zwar auch im Anhang des WTO-Abkommens, bezüglich
Beitritt, Änderungen und Beschlußfassung gelten jedoch eigene Regeln.
Das WTO-Abkommen über öffentliches Beschaffungswesen ist für
Liechtenstein seit dem 18. September 1997 in Kraft!25, Nachdem alle Ver-
tragsstaaten des früheren Abkommens über das öffentliche Beschaffungs-
wesen der Tokio-Runde das neue WTO-Abkommen ratifiziert haben, hat
dieses seine Geltung verloren12,
Im Gegensatz zum Abkommen der Tokio-Runde wird nicht nur die
Beschaffung von Gütern, sondern auch von Dienstleistungen und die
Vergabe von Bauaufträgen ab bestimmten, dem EWR-Abkommen ver-
gleichbaren Schwellenwerten geregelt!7. Grundprinzipien des Abkom-
mens sind die Inläinderbehandlung und die Nichtdiskriminierung auslän-
discher Anbieter untereinander. Ein wichtiges Merkmal des Abkommens
ist die Reziprozität: die Beschaffungsmärkte werden in der Regel gegen-
über einer anderen Vertragspartei nur soweit geôffnet, als diese einen ver-
gleichbaren Marktzugang gewährt. Des weiteren enthält das Überein-
kommen detaillierte Regelungen über Ausschreibungen, Vergabeunter-
lagen und -verfahren, den Zuschlag des Auftrags, Auskunftserteilung über
erteilte Aufträge, Qualifikation der Anbieter, technische Spezifikationen
und über Rechtsmittel. Bei Offnung eines äußerst kleinen Marktes ge-
währt das Abkommen den leistungsfähigen liechtensteinischen Unter-
nehmen Zugang zu öffentlichen Beschaffungsmärkten außerhalb des
EWR-Raums. Gegebenenfalls wird das WTO-Abkommen auch eine wei-
124 Das Abkommen zählt gegenwärtig 25 Vertragsparteien (EU-Staaten und die EG,
Norwegen, Schweiz, Liechtenstein, Israel, USA, Japan, Hongkong, Korea und Singapur).
125 LGBI. 1998 Nr. 8.
126 Art. XXIV Abs. 3(c) des Abkommens bestimmt, daf zwischen Vertragsparteien, wel-
che auch Vertragsparteien des Abkommens von 1988 der Tokio-Runde sind, die Rechte und
Pflichten des WTO-Abkommens über öffentliches Beschaffungswesen von 1994 Vorrang
haben. Mit dem Inkrafttreten des Abkommens für Singapur am 20. Oktober 1997 sind alle
Tokio-Staaten Vertragsparteien des WTO-Abkommens von 1994 geworden. Gemäß Art. 59
Abs. 1 (a) WVK gilt damit das Abkommen der Tokio-Runde als beendet.
127 Dienstleistungen und Bauaufträge sind grundsätzlich nicht vom schweizerisch-liech-
tensteinischen Zollvertrag abgedeckt. Deshalb war ein selbständiger liechtensteinischer Bei-
tritt geboten.