Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

partei in Zweifel gezogen.62 Dies ist nicht weiter verwunderlich, hul­ digte doch die Gesetzgebung dem System der Staatskircheneinheit. Opposition gegen die staatliche Ordnung implizierte im konfessionell geschlossenen Staat Opposition gegen die Kirche. Die Volkspartei tat sich schwer, ein sachliches Nahverhältnis zum Staate und zur katholischen Kirche zu finden, weil sie gegen ein Regierungssystem ankämpfte, das auf einer engen Staats-Kirche-Verbundenheit basierte. Sie hatte Mühe, ihre Kirchenglaubwürdigkeit unter Beweis zu stel­ len, urteilte man doch damals — wie zum Teil heute noch — nach dem Augenscheinlichen. Der monarchische Staat und die katholische Kirche setzten sich ge­ gen die aufkommenden liberalen Thesen der Volkspartei zur Wehr. Die Kirche fürchtete sich vor der von dort kommenden Tendenz stär­ kerer staatlicher Aufsicht.63 Zu einer parteipolitischen Auseinander­ setzung drohte sich zeitweilig das Postulat nach Einführung der Zivil­ ehe auszuweiten, die von den liechtensteinischen Anhängern der Volks­ partei in der Schweiz in die Diskussion geworfen wurde. An der Delegiertenversammlung am 20. Juni 1920 faßten die Liechtensteiner in der Schweiz eine Resolution, die in den O. N. vom 30. Juni 1920 abgedruckt wurde. Sie stellte u. a. die Forderung auf: «Die Liechten­ steiner in der Schweiz verlangen die unverzügliche gesetzliche Aner­ kennung der Zivil-Ehe, gleich wie in der Schweiz. Da die gegenwär­ tigen Bestimmungen die Eheschließungen in der Schweiz erschweren, viele in der Schweiz wohnende Landsleute in eine fatale Situation brachten und einen Eingriff in die laut der Verfassung gewährleistete Religionsfreiheit machen, drückten die Versammelten die Dringlich­ keit der Erledigung dieser brennenden Frage aus und erklärten ihr vermehrten Kampf.» Kurze Zeit nach Erscheinen dieses Postulates in den O. N. bezweifelte das L. V. einmal mehr die christlich-soziale Gesinnung der Volkspartei. Am 7. Juli 1920 bemerkt ein Einsender 82 Landeskaplan Alfons Büchel greift in einem Artikel des L. V. Nr. 62, 6. August 1919, Dr. W. Beck persönlich an: «Ich behaupte: 1. Daß Ihre bisherige Politik nicht christlich-sozial ist . . . Wenn Sie nun offen erklären vor dem ganzen Lande, daß Sie in Zukunft Ihre politischen Handlungen nach den Lehrsätzen der katholischen Kirche nach den Weisungen des hochwürdigsten Diözesan- bischofes (Hirtenschreiben Nov. 1918) richten werden und diese Erklärung auch befolgen, dann gebe ich obige Behauptungen auf, dann können wir wieder Duzfreunde werden, dann haben Sie die Geistlichen nicht mehr als Gegner.» 63 Zur staatlichen Schulaufsicht, vgl. Wille H., Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein, Freiburger Veröffentlichungen auf dem Gebiete von Kirche und Staat, Bd. 15, 65 ff. 77
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.