Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

steht.36 Je nach dem wie sich die Gemeinschaft der Bürger zahlen­ mäßig zusammensetzt, wird der eine oder andere Teil die Macht innehaben und die ihm zusagende Form der Herrschaft durchsetzen Gibt es in einem Volk keine Möglichkeiten, einen extremen Teil zu bilden, weil der Mittelstand zahlenmäßig so ins Gewicht fällt, dann läßt sich die gemäßigte Form der Oligarchie resp. der Demokratie einführen oder die Mischform von beiden, die Politie. (Die Politie ist der Verfassungsstaat, in welchem beide Voraussetzungen des Ge­ meinwohls, Sicherheit und Freiheit so berücksichtigt werden, wie es allen und einem jeden dient.)37 Was man aber nicht übersehen darf, ist die Frage, wonach sich die starke Stellung der Gruppen, Arme, Reiche oder Mitte und ihr jeweiliges Verhältnis zur Macht bemißt. Dies ist kein arithmetisches, sondern ein geometrisches Verhältnis, keine rein quantitative Frage, sondern eine Frage der Natur der Teile (ihrer Lebensart, Wehrhaf- tigkeit, Stärke, Tüchtigkeit) sowie ihrer Bedeutung für Wohlfahrt, Sicherheit und Unabhängigkeit, für die Gemeinschaft als Ganzes. Zum dritten Mal nimmt Aristoteles eine Aufgliederung des Staates in seine Teile vor und spricht von einem Ganzen. Diesmal geht es um Teile der Gemeinschaft, insofern durch ihr Zusammenwirken ein Leben für alle, und zwar ein in bestimmter Hinsicht vollständi­ ges, sich selbst genügendes Leben geschaffen wird.38 Dies ist der eigentliche Inhalt des Gemeinschaftslebens und damit auch das ge­ meinsame Ziel und Interesse. Der Austausch von Gütern und Lei­ stungen, bürgerliche und menschliche Leistung keineswegs zu ver- 87 Genauer besehen unterscheidet Aristoteles zwei Vorgänge, die «Neigungen» zu den Grundformen Oligarchie und Demokratie, und die «Deklinationen» der beiden Grundformen. Die Neigungen zu Oligarchie oder Demokratie erfolgen aufgrund des Stärke­ verhältnisses zwischen den entscheidenden Teilen (vgl. 1291 b 1—13). Die Abwandlungen bis zur extremen Oligarchie (Monopololigarchie) sowie zur extremen Demokratie (Volksdemokratie) erfolgen, sofern nicht durch äußere Umstände aufgezwungen, aufgrund der «Lebensart» des entscheidenden Teiles (vgl. 1291 b 22—1293 b 34). Unter «Lebensart» ist in diesem Fall das Verhält­ nis des entscheidenden Teiles zur formellen Bestimmung des Gemeinwohls, näm­ lich zu Gerechtigkeit und Menschenwürde, zu verstehen. Dieses Verhältnis kann mäßig oder unmäßig sein (vgl. 1290 b 21—1291 b 1). Ein mäßiges, und in die­ sem Sinne gesundes Verhältnis zum Gemeinwohl hat etwa eine bäuerliche Be­ völkerung, in der breitgestreuter, nicht zu großer Besitz vorherrscht. Hier arbeitet jeder am eigenen Betrieb, hat echtes Interesse an Freiheit und Ordnung und erwartet nicht von der Allgemeinheit, daß ihm geholfen wird. Diese •Lebensart», besonders wenn sie mit Verteidigungswillen verbunden ist, ist also die beste für die Demokratie. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei einer armen, aber angriffslustigen Bevölkerung. M Vgl. 1290 b 21—39. 43
	        

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