Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

b) 
Interdependenz und Relativierung des souveränen Staates — Liechtenstein ein Teil Europas und der Welt Die Souveränität der Staaten, nach außen als Unabhängigkeit73, nach innen als volle Selbst-Regierung (füll self-government)74 sich aus­ zeichnend, ist in einem Abbau begriffen, faktisch und rechtlich.75 Faktisch: Der ehemals sozusagen absolut unabhängige Staat unterliegt transnationalen Einflüssen — denken wir an die Inflation, an die Macht der multinationalen Gesellschaften, die sich teilweise der Be­ herrschung durch den Einzelstaat entziehen. Die moderne Wirtschaft hat weltweite Abhängigkeiten erzeugt, Abhängigkeiten in der Ener­ gie- und Rohstoffversorgung, Abhängigkeiten von den Absatzmärk­ ten, Abhängigkeiten von einer funktionierenden internationalen Wäh­ rungsordnung. Machtlos stehen die Einzelstaaten als solche dem gigantischen Weltproblem des Umweltschutzes gegenüber und dem Hunger, der einen Teil der Menschheit heimsucht. Krieg und Frieden sind gewissermaßen für alle Staaten unteilbar geworden. An die Stelle der ehemaligen Unabhängigkeit ist eine sehr relativierte Unabhängig­ keit, sind Zwischenabhängigkeit (Interdependenz) und Abhängigkeit getreten, je nachdem ob der einzelne Staat über einen größeren oder geringeren Grad an Autarkie und an (besonders militärischer) Macht verfügt76. Daß kleine Länder wie Liechtenstein, die «nur Haut» (Georg Malin) sind, auf die Seite der Abhängigkeit ausschwingen, ist einleuchtend. 73 «Sovereignty in the relations between states signifies independence. Indepen- dence in regard to a portion of the globe is the right to exercise therein, to the exclusion of any other State, the function of a State.» (Max Huber in Palmas- Fall in Nations Unies, Recueil des sentences arbitrales, Bd. 2, 838). Die Unab­ hängigkeit, nämlich das Recht, die staatlichen Funktionen innerhalb eines be­ stimmten Territoriums unter Ausschluß jedes anderen Staates auszuüben, hat somit auch eine notwendige Innenseite, nämlich die des «self-government», der Kompetenz-Kompetenz (siehe Anm. 74). Vgl. Alois Riklin, Grundlegung der schweizerischen Außenpolitik, St. Galler Studien zur Politikwissenschaft, Band 1, Bern 1975, 31; Wildhaber, Luzius, The impact of tomorrow's international law on the framework of the Constitution, in Le droit international demain, Actes du Congres publies par la Faculte de droit et des sciences economiques de l'Universite de Neuchatel, Neuchatel 1974, 92. 74 Das ist die oberste Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet unter Ausschluß jedes fremden Staates, also die Kompetenz-Kompetenz, d. h. die oberste Gewalt zur Kompetenz-Verteilung nach innen, sei es durch Inanspruchnahme aller Kom­ petenzen (Einheitsstaat), sei es durch Kompetenz-Abgabe nach innen (Födera­ tivstaat). Vgl. Bindschedler, Rudolf L., Betrachtungen über die Souveränität, in Recueil d'etudes du droit international, En Hommage i Paul Guggenheim, Genf 1968, 167—183. 75 Für viele Huber, Hans, Weltweite Interdependenz, Bern 1968. 76 Riklin (siehe Anm. 73), 33 ff. 189
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.