Volltext: Liechtenstein und die Schweiz

det sich also in einer Kompetenzkonkurrenz mit den Kantonen.260 Ältere Bestimmungen eines Staatsvertrages zwischen einem Kanton und dem Ausland, denen neuere Bundesgesetzesvorschriften oder vom Bund abgeschlossene Staatsverträge widersprechen, können da­ her nicht mehr Anwendung finden.261 Ob in einem solchen Fall aber nurmehr der Kanton gegenüber der ausländischen Gegenpartei völ­ kerrechtlich verantwortlich ist — wie Fleiner/Giacometti vermu­ ten262 — erscheint doch eher fraglich. Die These vom einheitlichen Auftreten des Bundesstaates gegenüber dem Ausland darf sich nicht im Formellen erschöpfen, sondern sollte auch in materieller Hinsicht gelten. Dieser Standpunkt wird denn auch mehrheitlich in der völ­ kerrechtlichen Literatur vertreten.263 Die durch Art. 9 BV begrün­ dete beschränkte Vertragsschließungsbefugnis der Kantone steht einer zumindest mittelbaren völkerrechtlichen Haftung des Bundes für seine Gliedstaaten nicht entgegen.264 
Immerhin wird von einer Soli­ darhaftung im Rechtssinne dort nicht gesprochen werden können, wo die — wenn auch nur partielle — Völkerrechtssubjektivität265 der Gliedstaaten feststeht. In der praktischen Auswirkung ist ein Unterschied allerdings kaum zu bemerken, wird sich der verletzte ausländische Vertragspartner doch in erster Linie an die Zentral­ gewalt des Bundesstaates halten, um sich sein Recht zu verschaffen. B. Formelle Vertragskompetenzen Die Bundesverfassung enthält in ihrem ersten Abschnitt keine Be­ stimmung darüber, wem — Bund oder Kantonen — grundsätzlich die formelle Vertragskompetenz zukomme. Die Frage ist jedoch leicht zu beantworten, denn die Materie an sich verlangt, daß der 260 Widersprüchlich Fleiner/Giacometti 813, wenn sie «die Staatsvertragskompe- tenz des Bundes unter Vorbehalt des Art. 9 BV als solche mit ursprünglich derogierender Wirkung» bezeichnen, danach aber kritiklos die Praxis erwäh­ nen, den Kantonen über den Rahmen von Art. 9 BV hinausgehende Vertrags­ kompetenzen einzuräumen, und unmittelbar darauf die hier anzutreffenden Vertragskompetenzen des Bundes als solche konkurrierender Art ansprechen (814 f.). 261 Vgl. aber Max Imboden, Bundesrecht bricht kantonales Recht, Diss. Zürich 1940, 83. «>2 816 Anm. 37. 2<w Dahm III 204 f. 264 Dahm III 205; Verdross 389 (insbesondere aber Theorie der mittelbaren Staa­ tenhaftung in ÖZÖR 1 [1948], 388 ff.) nimmt sogar eine unmittelbare Haf­ tung des Bundes für die Gliedstaaten an, welche zu jener der Gliedstaaten hinzutritt. 265 Vgl. dazu hinten S. 80. 79
	        

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