Volltext: Liechtenstein und die Schweiz

oder allenfalls sogar darüber stehen, ist nicht entschieden.242 Tat­ sache ist allerdings, daß die Verfassung selbst Beschränkungen der verfassungsmäßigen Rechte der Bürger durch Staatsverträge zuläßt.243 Die Frage also, ob späteres Verfassungsrecht früheres Staatsvertrags­ recht derogiere, müßte erst noch vom Staatsgerichtshof beurteilt werden. Die Antwort hängt jedenfalls davon ab, welcher Theorie — Dualismus244, Monismus245 oder Mischformen246 — der Vorzug ge­ geben wird. Da sich die Rechtsprechung in Liechtenstein weder auf den Wortlaut des Gesetzes, noch auf eine liechtensteinische Lehre oder Praxis stützen kann, wird sie sich an der Theorie im allgemei­ nen und an ausländischen Vorbildern im besonderen orientieren müssen. Dabei darf vermutet werden, daß sich die liechtensteinische Rechtsprechung bei sich bietender Gelegenheit den Standpunkt des gemäßigten Monismus247 zu eigen machen wird, kommt doch diese Auffassung am ehesten den Bedürfnissen des im zwischenstaatlichen Leben machtlosen und daher an der Stärkung des internationalen Rechts besonders interessierten aber doch staatsbewußten Kleinstaa­ tes entgegen. B. Was die Anwendbarkeit allgemeinverbindlicher Normen der Staatsverträge anbelangt, gibt die Verfassung auch hier keinen Auf­ schluß.248 Von der Tatsache, daß gemäß Art. 2 EGzZV249 schwei­ zerisches Bundesrecht in Liechtenstein «ohne weiteres in Kraft» 242 Der Einwand von Gyger, 56, der Staatsgerichtshof habe diese Frage dadurch entschieden, daß er im Unterschied zu den Gesetzen Staatsverträge nicht auf die Verfassungsmäßigkeit überprüfe, vermag nicht in jeder Hinsicht zu über­ zeugen. Konsequenterweise stünden sonst nach schweizerischem Recht auch die Gesetze (und die Staatsverträge) im Verfassungsrang, weil sie gemäß Art. 113 Abs. 3 BV vom Bundesgericht nicht überprüft werden können. 243 Art. 8 Abs. 2 LV; vgl. auch den Entscheid des Staatsgerichtshofes in ELG 207. Fraglich ist, ob durch Staatsvertrag verfassungsmäßige Rechte nur beschränkt oder allenfalls auch aufgehoben werden können. 244 Begründet von Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, insbesondere 11 ff. 245 Zurückgehend auf Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, und akzen­ tuiert durch Kelsen, Problem der Souveränität 146 ff. 246 Z. B. der von der herrschenden Lehre vertretene gemäßigte Monismus; vgl. etwa von der Heydte, Völkerrecht I 35; Guggenheim I 75 f.; Verdross 8 f.; Dahm I 54 f.; auch Kelsen hat sich später dieser Richtung angeschlossen: Un­ recht und Unrechtsfolge im Völkerrecht, ZöR 12 (1932), 481. 247 Danach wird auf den absoluten Vorrang des Völkerrechts vor dem staatlichen Recht verzichtet. Die völkerrechtswidrige innerstaatliche Norm ist nicht von vornherein nichtig. Sie ist aber, wenn nicht bereits vor innerstaatlichen, so doch vor internationalen Gerichten anfechtbar, sofern der Streit auf völker­ rechtlicher Ebene ausgetragen wird. Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß der staatliche Gesetzgeber das Völkerrecht nicht verletzen wollte. Vgl. u. a. Seidl-Hohenveldern N 383 ff. 248 Im Unterschied z. B. zum Grundgesetz der Niederlande vom 24. August 1815 (siehe vorn Anm. 239), Art. 65 Abs. 1. 24» Gestützt auf Art. 4 bis 10 ZV; LGBl 
1924, Nr. 11 (mit Änderungen). 75
	        

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