Volltext: Liechtenstein und die Schweiz

anhebt, sondern der Entscheid bereits a priori feststeht.206 Ein so verstandenes Verhältnis zur Außenpolitik erscheint jedenfalls mehr zu sein als das, was gemeinhin unter den Begriff der gewöhnlichen Neutralität subsumiert wird.207 Gegen die These der faktischen dauernden Neutralität Liechtensteins spricht einmal die nie deutlich ausgesprochene Absicht, immer neutral zu bleiben, zum andern die Tatsache, daß ein Staat, welcher sich so eng an einen andern ange­ schlossen hat wie Liechtenstein früher an Österreich und heute an die Schweiz, in der Führung seiner Außenpolitik wahrscheinlich zu stark gebunden ist, um noch als Neutraler gelten zu können.208 Auf dem letzteren Argument beruhte denn auch der Einwand Frank­ reichs im Jahre 1916. Es ist aber wohl nicht ganz abwegig zu be­ haupten, Liechtensteins Außenpolitik sei heute von einer faktisch dauernden Neutralität bestimmt. Während die frühere Anlehnung an Österreich dieser Auffassung eher Hindernisse in den Weg gelegt hat,208 muß eine Beurteilung sich doch an den aktuellen Gegeben­ heiten orientieren. Dabei ist einmal entscheidend, daß sich Liechten­ stein im Westen an einen anerkannt dauernd Neutralen anlehnt und im Osten seine Grenze mit einem Österreich teilt, das seit 1955 die dauernde Neutralität zur Maxime seiner Außenpolitik gemacht hat. Die liechtensteinische Position kann daher nicht ohne Berücksichti­ 206 Diese Interpretation findet auch «Unterstützung» durch den Wortlaut des «Aide memoire» zur liechtensteinischen Neutralität vom 4. Juni 1919 (von Liechtenstein 58 ff.): «Seither (d. h. seit 1866; der Verf.) ist das Fürsten­ tum . . . mit andern Staaten nicht mehr in ein Bündnisverhältnis getreten. Demgemäß hat sich das Fürstentum als vollkommen neutral betrachtet. ..» 207 A. M. Raton, 62, allerdings ohne nähere Begründung. Immerhin geht Raton bei der Beurteilung der Neutralität Liechtensteins von den Voraussetzungen aus, wie sie während und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg anzutref­ fen waren. 208 Vgl. 
aber Luzius Wildhaber, Zur heutigen Lage der Neutralität, in NZZ Nr. 195 vom 29. 4. 1973, der völkerrechtliche Verträge auch politischen Charakters zum Zwecke der friedlichen Kooperation nicht zum vornherein als neutralitätswidrig bezeichnet. 20# 
wie liechtensteinische Selbstzeugnisse belegen: z. B. spricht von Liechtenstein, 50, von einer «wohlwollenden Neutralität» des Fürstentums gegenüber der Donaumonarchie; vgl. auch Raton 62 ff. Fraglich ist, ob der Fürst zur Zeit der österreichischen Monarchie überhaupt neutral sein durfte: Als österrei­ chischer Staatsbürger war er dem Kaiser Treue schuldig, konnte sich also einer (für Österreich günstigen) Stellungnahme grundsätzlich nicht entziehen. Über das Verhältnis des Fürsten zum damaligen Österreich-Ungarn vgl. Men­ gele 62 ff.; Zurlinden 16. 67
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.