Volltext: Liechtenstein und die Schweiz

tätsbegriff seit Jean Bodin vieldeutig verwendet wird.110 Als Grund­ lage der nachfolgenden Ausführungen soll die Systematik von Bind- schedler111 dienen, dem wohl das Verdienst zukommt, den heutigen Stand der Lehre am ehesten zu repräsentieren. Die Souveränität wird von Bindschedler zunächst als rechtlicher oder formeller und als politischer, soziologischer oder materieller Begriff dargestellt.112 Rechtlich aufgefaßt wird die Souveränität sowohl als Rechtswesens­ begriff wie auch als Rechtsinhaltsbegriff. Bindschedler bezeichnet als Souveränität im rechtswesentlichen Sinne jene höchste, nur durch eigenen Willen beschränkbare Macht, die mit der obersten Rechts­ ordnung gleichzusetzen sei. Dieses höchste Normensystem ist aber das Völkerrecht; Souveränität kann daher in diesem — nun doch wieder absoluten — Sinne nicht den Staaten zukommen, sondern nur dem allgemeinen Völkerrecht. Relativiert bedeutet Souveränität als Rechtswesensbegriff nach Bindschedler die Völkerrechtsunmittel- barkeit der Staaten. Zusätzlich verlangt ein Teil der Lehre eine be­ stimmte staatliche Kompetenzfülle. Dieses letztgenannte Erforder­ nis verwischt indessen die Grenzen zwischen Rechtswesens- und Rechtsinhaltsbegriff. Unter Souveränität im rechtsinhaltlichen Sinne versteht Bindschedler nämlich die Stellung jener Staaten, welche sich nicht auf vertragsmäßigem Wege aller ihrer Kompetenzen begeben haben. Politisch verstandene Souveränität meint das tatsächliche Maß der Selbstbestimmung eines Staates, wobei ihr von vornherein ein abso­ luter Maßstab nicht angelegt werden kann, da sich die Qualität die­ ser Selbstbestimmung immer nach den jeweiligen historischen, politi­ schen und soziologischen Umweltbedingungen richtet. Daneben findet der Souveränitätsbegriff auch innerhalb des staat­ lichen Bereichs Anwendung, so namentlich zur Bezeichnung des obersten Staatsorgans (Organsouveränität) sowie auch im Zusam­ menhang mit der Abgrenzung der bundesstaatlichen Gewalt (Souve­ ränität der Staatsgewalt). Dieser innerstaatliche Bereich ist hier in­ dessen nicht von Interesse, geht es doch vornehmlich um die Abklä­ 110 Zusammenstellungen finden sich z. B. bei Koppensteiner, Die europäische Integration und das Souveränitätsproblem; Haug, Verfassungsrevision; Con- stantopoulos, Deux notions fondamentales de la souverainet£; Ermacora, Uber die Souveränität; Tsatsos, Gedanken über den Begriff der Souveränität; Krü­ ger/Erler, Zum Problem der Souveränität. 111 Rechtsfragen 69 ff. und insbesondere derselbe, Betrachtungen über die Souve­ ränität. 112 Bindschedler, Rechtsfragen 69. 43
	        

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