Volltext: Liechtenstein und die Schweiz

Einleitung In einer Zeit, die (wiederum) dem Gigantismus huldigt, mag es zu­ nächst erstaunen, daß sich eine Untersuchung mit Problemen aus kleinen und kleinsten Verhältnissen befaßt. Dies, wie auch die «Ein­ mischung» in die «inneren Angelegenheiten» eines Nachbarlandes bedarf wohl einer besonderen Rechtfertigung. Dazu ist festzuhalten, daß es keinesfalls darum gehen kann, eine Philosophie klein- und zwischenkleinstaatlicher Verhältnisse zu ent­ wickeln.1 Vielmehr gilt es, die vorgegebenen Tatsachen hinzunehmen und i'hnen nach Möglichkeit positive Aspekte abzugewinnen. Bei der Beurteilung des Eigenwertes des Kleinstaates im allgemeinen ist zu­ nächst davon auszugehen, daß der Staat nicht Selbstzweck sein kann. Seine Existenzberechtigung liegt vor allem darin, daß er in seinem Bereich das geordnete Zusammenleben der Menschen ermöglicht und gewährleistet, denn erst dadurch vermag das Individuum seine Per­ sönlichkeit voll zu entfalten. Seine Hauptaufgabe, die Schaffung ge­ eigneter Rahmenbedingungen zur optimalen Selbstverwirklichung des Individuums, kann der Staat in unterschiedlichster Weise erfüllen — in Abhängigkeit einer Großzahl von Faktoren vor allem politischer, kultureller, sozialer, historischer, geographischer und nicht zuletzt auch quantitativer Art. Dieses letztere Kriterium ist in unserem Zu­ sammenhang von besonderer Bedeutung: Die Bejahung des Staates durch das Individuum — und damit auch dessen relative Unterwer­ fung unter den staatlichen Herrschaftsanspruch — hängt nicht zu­ letzt von der Art der Beziehung zwischen Staat und Mensch ab. Je mehr der Staat auf die Bedürfnisse des einzelnen Rücksicht nehmen kann, desto persönlicher wird sich diese Beziehung gestalten. Frei­ lich vermag nicht jeder Staat eine maximale Ausrichtung auf das Individuum zu gewähren: Auch der am Individuum orientierte Staat kann dem einzelnen nur soweit entgegenkommen, als die wesentlichen Interessen der Allgemeinheit dies zulassen. Die Abwä­ gung öffentlicher gegen private Interessen wird dazu führen, daß mit zunehmender Menge der zu berücksichtigenden privaten Inter­ 1 Eine solche Betrachtungsweise übersähe, daß der Kleinstaat einen dauernden Kampf um sein Uberleben führen muß, währenddes die Mittel- oder Großmacht sich darauf beschränken kann, ihr außenpolitisches Potential zu erhalten. Sucht sie es zu vergrößern, so verfolgt sie damit objektiv nicht in erster Linie den Zweck, ihre Existenz zu sichern, sondern es geht ihr dann lediglich um einen Prestige- bzw. Machtzuwachs. 11
	        

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