Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

Bezüglich der Kriterien Über Staatlichkeit 
oder Zwischenstaatlich­ keit216 
steht man vor derselben Problematik wie in bezug auf die Frage der Parität. Im rechtlichen Sinne ist die Antwort klar: Der Charakter der Abkommen ist zwischenstaatlich. Es liegt keine recht­ liche Befehlsabhängigkeit souveräner Staaten vor. Doch befriedigt diese Argumentation nicht ganz. Stellt man die Parität der Abkom­ men in Frage, so muß man dies konsequenterweise auch für die Be­ fehlsunabhängigkeit tun. Nichtparitätische bilaterale Abkommen, die nicht nur einen rechtsgeschäftlichen, sondern rechtssetzenden oder politischen Inhalt haben, begründen in den meisten Fällen einen der Überstaatlichkeit ähnlichen Zustand und zwar in dem Sinne, daß dem dominierenden Vertragsteil im Rahmen der gegenseitigen Ver­ bindung ein Übergewicht zukommt, was für den schwächeren Part­ ner in gewissen Situationen einer Befehlsabhängigkeit sehr nahe kom­ men kann. Die fragwürdige Parität der Abkommen genügt noch nicht, um von faktischer Überstaatlichkeit zu sprechen, das heißt von einem Zu­ stand, der dann gegeben sein dürfte, wenn ein Staat, ohne effektiv bei einem Entscheid eines dritten Staates oder einer Staatengruppe mitwirken zu können, von dessen Folgen in einer unmittelbaren und direkten Weise beeinflußt wird. Es gibt jedoch noch weitere Fak­ toren, die diese Hypothese für das Verhältnis des liechtensteinisch­ schweizerischen Zollgebietes zur EG bestätigen. Der Abbau von Ein­ fuhr* und Ausfuhrzöllen und Abgaben gleicher Wirkung sowie die Beseitigung von mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen und Maß­ nahmen gleicher Wirkung werden zwei Hauptkonsequenzen zeitigen: Erstens gewinnen dadurch andere, den gegenseitigen Warenaustausch beeinträchtigende Größen — Steuern, Normierungsvorschriften, ge­ sundheitspolizeiliche Vorschriften usw. — an Bedeutung. Um den unbehinderten Güterverkehr zu erleichtern und Benachteiligungen der liechtensteinisch-schweizerischen Exportindustrie zu beseitigen, wer­ den es die beiden Staaten mit zunehmender Intensität der Beziehun­ gen mit Westeuropa wohl für angebracht und vorteilhaft halten, in formell autonomer Weise Harmonisierungsmaßnahmen zu erlassen, das heißt, ihre eigenen Ordnungen an die EG-Regelungen anzupassen, ohne selber einen Einfluß auf diese ausüben zu. können. Zum zweiten dürfte die zunehmende Handelsliberalisierung zu einem Nahverhält­ nis führen, das zur Folge haben könnte, daß immer mehr Beschlüsse der EG auch auf Liechtenstein und die Schweiz Einfluß haben und 218 Überstaatlichkeit bedeutet nach Riklin die Befehlsabhängigkeit souveräner Staaten. (Vgl. Riklin, Europäische Gemeinschaft [Anm. 55], S. 373.) Die Zwi­ schenstaatlichkeit bildet das Gegenstück zur Überstaatlichkeit. 88
	        

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