Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

fristig die Neutralen Europas durch diese Abkommen in noch stär­ kerem Maße als heute an die EG-Staaten gebunden, die, abgesehen von Irland, auch NATO-Mitglieder sind, was nicht ohne Konse­ quenzen für das Ost-West-Verhältnis sein dürfte. Geht man von Carstens Definition213 aus, der das Wort politisch im Zusammenhang mit den vitalen Interessen gebraucht, so ist die auf­ geworfene Frage auch nicht einfach zu verneinen. Die Regelung der Beziehungen zur EG berührt durchaus die vitalen Interessen Liech­ tensteins und der Schweiz. Daraus könnte der Schluß gezogen wer­ den, daß die Freihandelsabkommen bzw. die dadurch stabilisierten und intensivierten Beziehungen nicht ohne politische Relevanz sind. Die Freihandelsabkommen sind formell 
paritätischer Natur.ili Die rechtliche Gleichheit der Vertragsparteien kann, abgesehen von der einseitigen Schutzklausel im AEGKS, nicht bestritten werden. Doch muß man sich fragen, ob diese formelle Gleichheit materiell zum Tragen kommt. Der Mechanismus der Schutzklauseln ist wenig dazu angetan, dem kleineren und schwächeren Partner Vertrauen einzu­ flößen. Durch die Bilateralität der Abkommen ist vielmehr zu er­ warten, daß es Liechtenstein und der Schweiz schwerfallen wird, ihre Interessen im Gemischten Ausschuß angemessen durchzusetzen. So gelang es z. B. der Schweiz während zwei Jahren bilateralen Ver­ handlungen mit der EWG nicht, das Problem der Abschöpfung auf Milchprodukten zu lösen. Erst im Rahmen der multilateralen Ken- nedy-Runde, als durch die Verfilzung der Interessen ein kollektiver Verhandlungsdruck entstand, erreichte sie ihr Ziel.215 Um zu ver­ hindern, daß in Streitfällen die EG zu Schutzmaßnahmen greift, die ihrem Wesen nach Sanktionen gleichkommen, werden Liechtenstein und die Schweiz eine erhebliche Konzessionsbereitschaft an den Tag legen müssen. Zwar könnten auch das Fürstentum und die Eidgenos­ senschaft zu Zwangsmaßnahmen Zuflucht nehmen, doch würden sie sich dadurch wohl am meisten selber schaden. Faktisch ist die Parität der Abkommen somit zumindest fraglich. 213 Vgl. 
Carstens K., Das politische Element in der Europäischen Gemeinschaft, in: Festschrift Hallstein, Frankfurt 1966, S. 110. 214 Als formelles Kriterium zur Unterscheidung von paritätisch und nichtparitä­ tisch wird meistens die Rechtsgleichheit verwendet. (Vgl. Riklin, Europäische Gemeinschaft [Anm. 55], S. 109 ff. und die dort angegebene Literatur.) 215 Vgl. Jolles P. R., Die Schweiz und die internationale wirtschaftliche Zusam­ menarbeit, in: Die Schweiz und die europäische Integration, Berichte und Dokumente eines Seminars der Schweizerischen Kreditanstalt, Zürich 1968, S. 121. 87
	        

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